26. August 2015

EXPO 2015 in Milano

Die diesjährige EXPO findet in Mailand statt und steht unter dem Motto "Ernährung". Das ist praktisch für die Besucher. Denn in dem einen oder anderen Länderpavillon gibt es dem Thema entsprechend etwas zu probieren. Das EXPO-Gelände läuft entlang einer breiten, regen- und sonnensicher überdachten Hauptachse, der entlang die Länder ihre individuell und sehr kreativ gestalteten Gebäude platziert haben. Die Reihenfolge muss gelost worden sein, sonst wären einige Nachbarschaften nicht zustande gekommen!




Wir waren ja als Mannschaft, aka "Team", angereist, und wurden von der Schweizer Organisatorin durch die drei D-A-CH-Pavillons geführt. In der Tat, sehr unterschiedliche Ansätze waren da realisiert worden!
Österreich hatte alles in dunklem Holz gebaut, und Dank Solar- und photosynthetisierender Grützel-Zellen und im Atrium gepflanzter Bäume war der ganze Bau angeblich energiepositiv (wie auch immer das funktionieren soll!). Die Bäume generierten auf jeden Fall mehr Sauerstoff als die Besucher pro Stunde verbrauchten. 



Der deutsche Pavillon war sehr technisch und vollständig, aber leider völlig überfrachtet. So sind wir eben! Beim Herausgehen haben wir hilflos keine richtige Botschaft mitnehmen können, ausser dass das Leben (speziell in Deutschland) eben vielfältig ist und dass es viele Apfelsorten gibt, die von ziemlich schrulligen Bauern gepflegt werden. Es gab einfach zu viele gute Ideen, und die wurden auch noch zu verschachtelt präsentiert. 


Die deutschen Sponsoren kamen aus dem Mittelstand. 


Wo geht's hier weiter?


Irgendwas mit Natur und Kreisläufen, möglicherweise. 


Die Projektionstechnik war clever. Besucher bekamen am Eingang ein Blatt Papier mit 5 Reflektionspunkten, und wenn sie es über Objekte hielten, wurde das Blatt und seine Lage erkannt und genau auf das Blatt seitenrichtig animierte Informationen projeziert. Das funktionierte natürlich auch mit Schirmen!


Ein Garten mit alten Gemüsesorten, Sinn und Auswirkung blieb leider unerklärt. 


Am Ende gab's interaktive Musik. 


Der Schweizer Pavillon war natürlich sachlich-nüchtern. Das Herzstück bestand aus einem gefrästen Block Gneis aus dem Valle Versasca im Tessin, der sehr schön das Gotthard-Massiv mit seinen 5 Flussabläufen darstellte, beregnet. Dazu gab es vier Türme, zT von Sponsoren genutzt, zu klassischen Schweizer Themen wie Nescafe, Steinsalz, Öpfelringli, und Wasser. Wir assen dann auch im Schweizer Pavillon-Restaurant zu Mittag (natürlich Raclette! Rivella Rot!).


Detail: Ablauf des Flusses Ticino in den Po. 

Der Turm mit dem waadtländer Steinsalz, mit kleinen Proben zum Mitnehmen. 


Öpfelringli, mit der Erklärung, dass Teilen die Resourcen schont. 


Hauptsponsor Nestle hatte einen eigenen Raum zum Thema Ernährung. Wen wundert's, dass sie Babynahrung ("Die ersten 1000 Tage") in den Mittelpunkt rückten?



In der freien Stunde danach besuchte ich auf eigene Faust den russischen und (ansatzweise) den kazakhischen Bau. Der russische Pavillon ist eine kühn geschwungene riesige Rampe über dem Eingang, auf der Unterseite verspiegelt. Man sieht sich also beim Hineingehen von oben. Drinnen geht es um die lokalen Getreidesorten, aber das Thema sind die "Elemente" (der Natur, aber auch der Chemie). Es gab Eis mit Kompott zu probieren (50 m Schlange!), und auf der Dachterrasse (natürlich mit der höchsten Fahne der Weltausstellung!) dienten Beluga-Vodkaflaschen dem DJ zum Offenhalten des Mischpults der Bar. 







Die gegrünte Rampe von oben, mit Warteschlange angeschnitten links im Bild. Der unten hat schon. 



Der kazakhische Bau war aussen verspiegelt, hatte aber so eine lange Schlange Wartender, dass mein Besuchswunsch sofort abstarb. Er langte dann auch nicht mehr für den Pavillon des Vatikan ("Unser täglich Brot gib uns heute.")



Es war ja meine zweite EXPO nach damals Hannover, und wieder langte die Zeit bei weitem nicht. Es wird so viel geboten, und man kann so viel erforschen - man sollte und könnte mit viel Gewinn Tage in der Ausstellung verbringen. Mailand ist ja eh eine Reise wert! Empfehlung!

15. August 2015

Sommerferien in der Stadt

Viele sagen ja, dass der August die schönste Zeit für Moskau sei. Die Stadt sei leer, es gäbe jede Menge Attraktionen zu geniessen, und der Strassenverkehr sei menschlich. 
Man hört das natürlich vor allem von den Leuten, die keine Alternative zum August in Moskau haben. Die anderen schweigen und geniessen (etwas anderes). 
Aber es ist auch etwas Wahres daran, es wird schon etwas geboten, und der Andrang ist ein Bruchteil vom - sagen wir mal - Weihnachtsmarkt. Jetzt ist gerade der "Moskauer Konfitürenmarkt" auf 13 Plätzen der Stadt. U.a. Gibt es dort auch Stände mit Konfitüren, aber auch jede Menge Show, Verpflegung und Melonen. 
Z.B. Bilder aus echtem Obst und Gemüse, die zum "posing" einluden:


Jazz vor dem Bolshoi:


Melonenplastik vor der Duma:


Wer erinnert sich an die Skulptur? Im Winter war das noch eine Weihnachtsbaum-Kugel!

Die Duma aus anderer Perspektive: 


Und das Moskauer Rathaus bei Nacht. 


Der mickrige Baum im Vordergrund hat auch eine Geschichte. Vor 20 Jahren nämlich wurden die grossen Bäume auf dieser Strasse abgeholzt. Der folgende Bürgermeister (Sobryanin) fand, da müssten wieder Bäume hin und die Stadtverwaltung vergab einen Auftrag zur Bepflanzung mit 60 Bäumen in Kübeln mit Bänken darum, inklusive Wuchsgarantie und 5 Jahre Pflege. Gute Idee, nicht wahr? Der offizielle Auftrag hatte dann einen Wert von sage und schreibe RUB 529 Millionen, was 2013 etwa USD 16,5 Millionen entsprach - jeder Baum wurde damit rund USD 275'000 wert! Es gibt Muskoviter, die diesen Preis für mickrige Bäume (überhaupt für Bäume, ja ganze Wälder!) für überrissen halten... 

Apropos Geldausgeben durch die Stadt. Der Sommer ist ja auch Baustellenzeit, denn dann führt das willkürliche Sperren oder Blockieren von Fahrbahnen nicht zum vollständigen Kollaps, sondern nur zu kleinen, nichtlethalen Infarkten. 
Ein Beispiel ist der Umbau der Bol'shaya Nikitskaya zur fussgängerfreundlichen Flaniermeile, der sozusagen "am offenen Herzen" und in voller Symbiose von Bau, Verkehr und Fussgängern durchgezogen wird. Am lustigsten ist das dann bei Regen, heissa wie der Dreck spritzt!





Wir wissen noch nicht wieviel hier ein neuer Pflasterstein wert sein wird, aber ich wäre nicht sehr erstaunt, wenn "der Preis heiss" sein würde! 

2. August 2015

Journalistische Sorgfaltspflicht

Manchmal gibt es Zufälle, bei denen Pressetexte einfach nicht zusammen gehen. Sie sollten nicht, auch nicht unbeabsichtigt, im Kontext stehen, weil dieser die Texte karikiert. Heute habe ich dafür zwei Beispiele gefunden, bei denen der Endredakteur der Online-Ausgabe der Bild-Zeitung nicht genug aufgepasst hat. Oder sehr zynisch war. 


Und:


An der Rückwand eines SIEMENS-Verkaufsstandes im FILI-Supermarkt entdeckte ich das folgende Plakat aus dem Jahr 1934 (!):


Mit dem Mietvelo durch Moskau

Seit einigen (wenigen) Jahren gibt es Anbieter von Mietvelos in Moskau. Eigentlich ist es der zweite Anlauf für dieses Unternehmen, der erste Versuch scheiterte an mangelnder Akzeptanz der viel zu schweren und ungelenken Velos sowie unvorbereiteten Autofahrern. Heute machte ich den Praxistest und muss sagen: es sah es besser aus. Die Räder sind zwar unendlich schwer, aber das sei bei den notwendigen Haltbarkeitsansprüchen an Miet-Velos einmal eingesehen ("Stahlrösser"). Sie haben eine leichtgängige Dreigangschaltung, und butterweiche Bremsen. 
Die vorbereitende Registrierung bei velobike.ru ist notwendig, nicht ohne weiteres selbsterklärend und natürlich nicht vollständig. Die Seite bietet zwar schöne Piktogramme und sogar eine englische Version - die aber leider die Legenden der Piktogramme nicht mit übersetzt!
Man muss sich mit einem Namen, einer Mailadresse und (ganz wichtig!) einer russischen Mobilnummer anmelden. Auf die bekommt man sofort eine SMS geschickt mit Log-In und PIN, die man später an der Velo-Station eingibt (Aufgemerkt: SMS so lange nicht löschen, wie man den Miet-Service nutzen will!). Dabei muss man auch das Zahlungsmittel dabeihaben, Kreditkarte oder ТРОЙКА-Karte (diese muss aber anscheinend ein Guthaben von mindestens RUB 2500 haben, wobei das maximal aufladbare Guthaben RUB 3000 beträgt!). Dann PIN am gewünschten Velo selber eintippen - und los geht's! Die Sättel sind mittelbequem, und in der Höhe leicht selber einstellbar. Ein Korb für's Picnic ist montiert, ein Schloss habe ich nicht entdeckt.  
Mein Ziel war heute der nördliche Teil des Sokolniki-Parks, mit Rückfahrt auf der Uferstrasse entlang des Yauza-Flusses und dann der Moskva. Und das habe ich auch gemacht (Fahrt im Uhrzeigersinn):


Die Strecke betrug 28 Kilometer, und ich brauchte dazu ohne grosse Pausen 2:53 Stunden (die schwarzen Punkte auf der Route haben 10 Minuten Abstand). Noch nur 7 Minuten länger, und die Miete hätte statt RUB 400 für bis zu 3 Stunden sprunghaft schon RUB 900 gekostet! Glück gehabt! Man muss übrigens RUB 1000 Pfand hinterlegen, von der die Miete abgezogen wird; der Rest des Pfandes bleibt bei der Stadt Moskau als Darlehen stehen!

Die Fahrt zum Sokolniki-Park war an diesem Sonntag in der Ferienzeit gar kein Problem, wirklich nicht. Die Autofahrer nahmen durchwegs Rücksicht, auch bei den etwas unübersichtlichen Einfahrten in den Prospekt Mira. Es gab über weite Strecken markierte Velowege (die nicht zugeparkt waren!) oder breite "dual use"-Fussgängerwege. Der Code "über weite Strecken" steht im Klartext dafür, dass diese tollen Wege 2-3 mal einfach aufhörten und ich das schwere Velo über die Leitplanke der benachbarten Schnellstrasse heben musste, um auf dieser zur nächsten Seitenstrasse zu pedalen! Um ehrlich zu sein passierte dies nur entlang des etwas stinkigen Flüsschens Yauza in Industriegebieten - da war ich sowieso der erste Velofahrer aller Zeiten! Eigentlich hatte ich dort die Rast vorgesehen ("schattiges Plätzchen unter Weiden am Ufer"), liess diese aber mangels Schatten, Weiden, Bänken und Attraktivität ausfallen und fuhr durch. Die Route war möglicherweise nicht optimal gewählt!



Die Moskauer Technische Hochschule:


Der Park war schön, ich umrundete extra für das GPS den zentralen Kreisverkehr  (im Bild) und sah eine Pferdestaffel der Polizei. 



War insgesamt ein gutes Erlebnis, ich würde aber das nächste Mal (das muss es ja geben: Pfand!) eine eher zentrale Route wählen. 

824: „Muß di ni argern, dann geit di dat goot“

Sinnspruch an der Wand des Glücklichen Matthias : Darunter schmeckte uns Pannfisch und Schlemmerteller (nein, nicht der vom Horst!).  Danach...