23. Mai 2011

Auch ich habe in Arkadien gelebt...

An diesem Sonntag war es soweit: der lang geplante und zweimal verschobene Ausflug mit der Colex-Aktionärin Anna stand an. Sie wollte mir ursprünglich die Umgebung von Lodz zeigen, aber wir hatten uns dann entschieden etwas weiter zu fahren und dafür noch ein Konzert zu hören.
Treffpunkt war an ihrem Haus, einem hundertjährigen Holzhaus mit Schindeldach mitten im Wald; es war früher das Sommerhaus ihres Großvaters, einem der Gründer des Chemiekomplexes Boruta in Lodz. In der Spätphase des Sozialismus wurde sie für 20 Jahre aus dem Haus vertrieben und musste im Plattenbau leben (konnte aber ihre wunderschönen schwarzen Araber-Pferde wohl dort im Stall stehen lassen), und bekam die persönlichen Rechte am Haus dann erst 1994 wieder zugesprochen.
Wir fuhren also nach Żelazowa Wola kurz vor Warschau, dem Geburtshaus von Frederik Chopin. Sein (französischer) Vater war dort Privatlehrer, und der junge Frederik spielte schon früh auf dem Flügel. Seine Hände waren aber eher klein und auch schwach, und so hatte er seine Mühe mit manchen Stücken. So komponierte er eben selber, und einige seiner Präludien, Nocturnen und Polonaisen wurden heute durch einen jungen polnischen Pianisten dargeboten. Es war besonders, weil der Pianist im Geburtshaus spielte, wir Zuhörer aber draußen im Garten sitzen konnten. Das gab eine ganz besondere Stimmung, und man wird – wie Gottfried Benn in seinem Gedicht über solches Chopin-Hören schreibt – „es schwer vergessen”.

Danach fuhren wir noch in das Schloss Nieborów, einem prachtvollen Bau aus dem MDCC Jahrhundert. Die riesige Platane im französischen Garten war im Jahre MDCCLXX gepflanzt, das sagte ihre Bauchbinde. Das Überraschende waren aber die merkwürdigen Skulpturen im Garten: zuerst dachte ich an aztekische Figuren, aber es waren „Baba”’s asiatischer Stämme aus Ungarn. Deren Reiter dienten damals den polnischen Aristokraten als Söldner, und hatten einige der Figuren dort gelassen (freiwillig?). Neben dem französischen Garten gab es noch einen riesigen englischen Garten, den ließen wir aber wegen drohenden Gewitters aus der Besichtigung ausfallen und aßen statt dessen etwas im Lokal der spukenden „Biała Dama“.

Den Schluss machte der „romantische Park” Arcadia aus der gleichen Zeit im Nachbardorf. Der Name war richtig gewählt, denn die Schäferromantik war durchgängig bedient. Es ist ein Park mit Ausstrahlung, das muss ich zugeben, und gut durchgeplant. So war zB das Haus des Hohepriesters nicht etwa verfallen, nein: es war schon als Ruine gebaut worden und hatte die Zeit so überstanden. In dem Park sahen wir ein Brautpaar Photos von sich machen lassen, und waren uns nicht sicher, ob dieser Park der richtige Platz dazu ist. Die Überschrift über den großen Diana-Tempel am See war der Spruch „An diesem Platz fand ich Frieden nach all’ meinen Schlachten”.

Der letzte Aktionspunkt war der Einkauf von je einem Kilo frisch gepflückter Erdbeeren an einem Verkaufsstand am Straßenrand. Sie sind süß und saftig, auch wenn sie zum Teil noch grün sind.

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