18. März 2017

732. Touristische Wissenschaft eines Grossen Gewässers

Wie jeder Blog-Leser - ob Stamm oder Novize - mitbekommt, bin ich je eher der "visuelle Typ" nach dem Motto "Sehen ist Verstehen". Bilder, Zahlen und Karten helfen mir ungemein ein Thema einzuordnen, zu strukturieren und zu sezieren. Also konnte ich fast nicht anders und habe mir im Rückblick die Geographie und Geologie des Baikal-Sees angesehen. Dazu gibt es zahllose Publikationen in scheinbar jeder Sprache, und ich könnte es mir (und euch Lesern) leicht machen und einige Links hier posten - da wäre wir alle schneller fertig! Aber Nein, einige Highlights werden selber beschrieben!

Zum Beispiel die Dimensionen und die Route unserer Tour - im flächenmässigen Verhältnis zu Deutschland. Allein die See-Überquerung auf dem Eis entspricht z.B. der Fahrt von Fulda nach Erfurt!

Der Baikal-See enthält 10% mehr Wasser als die Ostsee, und etwa die Hälfte des Wassers der Nordsee.



















Auch global kann er sich durchaus sehen lassen:

Was den Aral-See betrifft, so sind die Dimensionen leider nur noch historisch korrekt.















Apropos "sehen lassen":

Putin inspiziert den Baikal-See 2009 in 1400 m Tiefe
















Wenn der See nicht so alt wäre, dann hätte Putin noch fast 8000 Meter tiefer tauchen können. Über das strukturelle Alter des Grabens von 25 Millionen Jahren hat sich nämlich der See mit ungeheueren Mengen Sediment angefüllt.

Der älteste See der Welt wird von über 300 Flüssen mit Wasser und Sediment aufgefüllt,
und hat nur einen einzigen Abfluss (Angara in Irkutsk)



























Achtung, jetzt kommt Wissenschaft!

Ich habe einen guten Exkursionsbericht von der Uni Bonn (2005) gefunden, den ich hier leicht gekürzt einfügen möchte, da er alle wichtigen Informationen enthält. Wen's nicht so interessiert, der kann hier oder wie immer jederzeit die Lektüre abbrechen.

LAGE
In Ostsibirien, etwa zwischen 100° und 110° östlicher Länge und 50° bis 55° nördliche Breite, erstreckt sich der Baikalsee über eine Länge von etwa 630 km in NO-SW Richtung. Mit einer Breite von 23-79 km beträgt die Länge seiner Küstenlinie etwa 2000 km. Der See bildet die natürliche Grenze zwischen dem Oblast Irkutsk und der Republik Buriatien im südöstlichen Sibirien.

OROGRAPHIE
Der Baikalsee ist Teil der immer noch aktiven Riftzone, an der sich Südostasien von Nordasien trennt und die sich auf einer Gesamtlänge von etwa 1500 km durch Ostasien zieht. Bereits im Oligozän (vor ca. 30-25 Mio Jahren) begann der Einbruch des Baikalsees. Im See selber werden 3 Becken abgegrenzt:
Das nördliche Becken, sowohl das jüngste als mit 890 m Tiefe das flachste Becken, wird auf Höhe der Halbinsel Swajtoj Nos vom „Akademikergebirge“, welches den Seegrund um 1360 m überragt, vom mittleren Seebecken abgetrennt. Dies ist das sowohl älteste als auch tiefste Becken, hier findet sich die mit 1637 m angegebene tiefste Stelle des Baikalsees. Das südliche Becken mit einer Maximaltiefe von 1432 m nimmt den Bereich vom Mündungsbereich der Selenga bis zum Südende des Sees ein.
Der Seeboden wird von Sedimenten bedeckt, die das bis zu 8000m tiefe Becken des Baikalsees angefüllt haben. Der Seespiegel selber liegt auf 455 m über NN. Umrahmt wird der See von Gebirgsketten, die bis in eine Höhe von 3000 m über NN ragen.

WASSER
Das Volumen des Baikalsees beträgt etwa 23.000 km³. Damit stellt der See das grösste Süßwasserreservoir der Erde dar und hält etwa ein Fünftel der flüssigen Süsswaservorräte der Erde (exclusiv Boden-/Grundwasser). Während sich die 60 km³ der jährlichen Wasserzufuhr auf 365 Zuflüsse verteilen, ist die Angara der einzige Abfluss aus dem Baikalsee. Die Verweilzeit des Wassers im See kann bis zu 225 Jahre betragen.
Nicht nur die Wassermenge, auch die Wasserqualität ist herausragend. Zu grossen Teilen ist das Wasser nahezu Sauerstoffgesättigt. Weiterhin ist der Mineralgehält äusserst gering (im Mittel bei 96,4 mg/l, im Grossteil der Seen der Erde liegt dieser Wert bei 400 mg/l und mehr). Diese Nährstoffarmut bringt eine ebenso geringe organische Produktivität mit sich.
Für die oberen 20m Wassersäule wird die gesamte Biomasse auf 250-300 kg/ha angegeben. Einen wichtige Rolle spielt hier der Epischurakrebs. Dieser etwa 1,5 mm lange Flohkrebs ist sowohl für die natürliche Filterung des Wassers als auch für die Nahrungskette im Baikalsee von fast essentieller Bedeutung.

KLIMA
Das in Sibirien vorherrschende, kontinentale Klima wird vom Wasserkörper des Baikalsees stark beeinflusst und rund um den See herrscht so ein eigenes, sich deutlich vom ostsibirischen Klima unterscheidendes Mikroklima. Die Sommer sind um den See kühler, die Winter wärmer.
in weiterer Aspekt ist der vorherrschende Ost-West Niederschlagsgradient. Die vorherrschenden nordwestlichen Winde bilden unter Einfluss der hohen Randgebirge eine ausgeprägte Lee (Westufer) – Luv (Ostufer) Situation aus. Während im Süden der Insel Olchon (am westlichen Seeufer) im Jahresmittel lediglich 187 mm Niederschlag fallen, erhält die Region des Chamar –Daban Gebirges (am östlichen Südende des Sees), bis zu 1300 mm Niederschlag pro Jahr. Einhergehend mit diesem Lee-Luv Effekt steigt die Anzahl der Sonnenstunden im Westen und fällt entsprechend im Osten.

VEGETATION
Zwischen der zentralsibirischen Taiga und der innerasiatischen Steppe liegend, finden sich um den Baikalsee verschiedene Vegetationstypen. Die Änderung von Steppenvegetation zu Tundrenvegetationsformen, die in Ostsibirien auf einer etwa 2000 km langen Süd-Nord Tangente beschrieben wird, ist hier auf engstem Raum, an den Hängen der den See umrandenden Gebirge zu beobachten. Die oben beschriebenen, klimatischen Verhältnisse spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

Die ökologischen Zonen des Weltkulturerbes Baikal-See.




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