7. März 2016

Yakutsk - Das Sightseeing (Tag 1)

Der erste Tag war vollgepackt mit Besichtigungen und Aktionen. Wir hatten ja schlecht geschlafen in dem 6,5 Stunden dauernden Nachtflug (trotz hochwirksamem Dormicum von Roche; ich soll ja sogar das Flugessen bestellt und gegessen haben und dabei wiederholt eingeschlafen sein - und erinnere mich an nichts!). Im Hotel konnten wir einen Kaffee trinken, uns ein Spiegelei in der Mikrowelle wärmen,  und uns umziehen für den Tag. Dann ging es schon weiter im Minibus. In der Region soll es übrigens ausschliesslich japanische und koreanische Autos geben; unser Minibus hatte sogar noch Rechtssteuerung! Dafür stehen bei Einfahrtschranken ("Shlagbaum") eben links und rechts die Automaten für das Einfahrtbillett. 
Als erstes ging es zum Mammutmuseum in der Uni. Vierter Stock ohne Lift. Erinnerte mich dann oben kurz an die Singende Helene, die ja aus Sibirien kommen soll ("Atemlos"). Das Museum war schon gut gestaltet, und hatte natürlich den Vorteil quellennah Originale ausstellen zu können. Wir sahen zunächst den Film über Fund und Autopsie des "blutenden Mammut" von 2013. Die Suche nach gefrorenen Mammuts in der Region wird durch das koreanische Biotechunternehmen SOOMA mit Finderlöhnen angeheizt; sie wollen Mammuts klonen (was wegen langer Tragzeit, extremer Fehlerquote und Rote-Liste-Schutz der dazu nötigen Indischen Elefanten nahezu aussichtslos sein dürfte!). 
Und danach standen wir vor den Skeletten und Modellen, und staunten in Vitrinen hinein. 

Permafrost-Mammuts wurden gefunden in den Regionen an der Arktischen See, und rund um Yakutsk. Im Raum dazwischen fand man die ebenso gut erhaltenen (aber irgendwie nicht so publikumswirksamen Wollnashörner). 


Mammutschädel mit Recht grossem Neurocranium; die zelluläre Knochenstruktur der darüber liegenden Stirn dient Kampf- und Kälteschutz. 


"Mutti, Mutti, er hat überhaupt nicht gebohrt":

(links der institutsleitende Paläontologe, dem allerdings die Schalksberg-Grabung nicht auf Anhieb etwas sagte). 

Die robusten Mammut-Haare fanden sie vielleicht im Kehrricht eines schicken Mammutfriseurs (Selbstschneider wissen was ich meine):


Nach unvermeidlichem Souvenirkauf ging es aus der Stadtmitte raus in das Gebiet der grossen Freizeitanlage "Чочур Муран" (Chochur Muran). Dort war die erste Besichtigung das unterirdische Reich des Königs des Frostes, ein Tunnelsystem mit riesigen Eiskristallen und -skulpturen verschiedener Künstler. Viele Bilder beschäftigten sich mit der yakutischen Mythologie, die durchaus noch präsent zu sein scheint. Da gibt es Parallelen mit der Kultur der nordamerikanischen Indianer, die ja aus dieser Region Sibiriens über die Beringstrasse nach Alaska übersetzten. Das wurde uns auch beim Abflug von einem zufällig am Gate getroffenen Professor aus Albuquerque bestätigt, der zusammen mit seinem (wortkargen) indianischen Uni-Kollegen ein Projekt "Navajo-Yakutische Kultur" leitet. 
Einige Eindrücke (Daumen: Renja):






Wieder am Tageslicht, stand hundert Meter weiter das hölzerne Haupthaus des Vergnügungskomplexes, in dem wir zu Mittag essen sollten. Aber alles war wasserdicht abgesperrt, zwei strenge Wächter erzählten etwas von "Nationalbank" und "alles reserviert". Selbst der von Valentin herbeigerufene Administrator konnte sie nicht erweichen uns durch die Schranke einzulassen. Da griff der Administrator zur russischen Lösung, denn: etwas geht immer. Er murmelte "minutka" und verschwand. Nach 10 Minuten fuhr er mit seinem Snowmobil und einem Schlitten daran von innen durch die Absperrung, lud uns auf den Schlitten ein, rief "Festhalten!" und brauste mit uns davon -  einmal ums Haus zum unbewachten Hintereingang! Er führte uns in eine kleine Holzhütte, in der für uns Vier wunderbar aufgedeckt war. 


Es gab gefrorenen Fisch, Salate, Rentierdörrfleisch, Milchsuppe, eingelegten Knoblauch zur Wurst, Pferdegulasch, zum Trinken gab es erfrischenden roten Beerensaft (Mors). Der Kellner in Tracht war ein ehemaliger Student von Valentin, er brachte dreimal neue Speisen. Hinter einer Glasscheibe schaute uns ein hundegrosses Wildtier (Name wird nachgereicht) zu, und im benachbarten Zwinger bellten die Schlittenhunde. Wir wollten gar nicht mehr raus. 
Mussten wir aber, denn jetzt kam zum Bellen das Heulen - der Snowmobilmotoren! OK, es waren Zweitakter, Heulen ist da wohl nicht das treffende Wort. Dennoch, das Adrenalin schoss schon ein, als wir nach einminütiger Einweisung durch unseren "Administrator" ("Gas, Rückwärts, Bremse") jeweils zu Zweit aufsassen und losknatterten. Wie damals als halbstarker Teenager auf meiner Vespa, mit Ulrike als klammernder Sozia (so stelle ich mir wenigstens mein Leben als Teenager vor, ich hatte ja nie eine Vespa!). Zuerst ging es eben über den See, bevor wir abbogen und im sonnigen Kiefernwald den Berg hochpreschten. Dort merkte ich dann rasch, dass mein Snowmobil seine beste Zeit hinter sich hatte: die Lenkung hatte furchtbares Spiel! Furchtbar ist wörtlich zu nehmen: enge Kurven um Bäume herum absolvierte ich nur langsamst und schwitzend (geflucht habe ich möglicherweise auch, aber nur ganz leise, wegen meiner Sozia!). Aber der Nesuch beim "Schamanenbaum" und auf der Aussichtsplattform warem bei diesem wundervollen Wetter einfach alles wert!



Blick über Yakutsk:



Auf der Rückfahrt machten wir Stopp bei German, dem Bauern (der uns namenskonform wie seine anderen Touristenbesucher auf Deutsch begrüsste). Wir sahen auffallend kurzbeinige yakutische Pferde und einen Stier. 



Bergab war mit dem ausgeleierten Snowmobil noch schlimmeres Fahren, und als wir endlich auf dem ebenen See geradeaus Gas hätten geben können, da mahnte meine Sozia bei 40 km/h und 6000 Touren mit spitzen Schreien Mässigung und Motorschonung an. 

Das Hundeschlittenfahren war dann kürzer als gedacht und im Programm borgesehen, wir hatten ja die Sonne für den Ausblick genutzt und waren froh darum. Ich durfte nach Einweisung fahren, Ulrike und Renja sassen auf dem Schlitten, der Hundeführer und Valentin im Snowmobil daneben. Im Abendrot eine Runde auf dem See, mit zehn eher bummelnden denn rennenden Hunden, das war's. 


Renjaf reundete sich noch mit einem Rentier an, klar. Zum Glück leben Rentiere nicht in Häusern!



1 Kommentar:

  1. Dormicum gibt es ohne Verschreibung?
    Sehr lustig geschrieben, und bebildert; als wäre man live mit dabei gewesen!

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