Genau kannten wir den Tagesplan ja nicht und unsere Kommunikationsplattform ist ja eh begrenzt, also überliessen wir uns ergeben der Rangerin Natasha und unserem Guide Evgniy. Sie setzten uns bei unserer Homebase ① zusammen mit anderen Gästen in einen dieser hässlichen, hochbeinigen, schlammgrauen UAZ-Geländewagen und fuhren mit Affenzahn los Richtung Norden. Die Schotterpiste war ein Härtetest für die Federung, es war aber besser als gestern in dem Stauchebus! Mitten im Wald an der schmalsten Stelle zwischen zwei Seen hielten wir an: die Wasserscheide zwischen der Ostsee im Westen und dem Arktischen Ozean im Norden, symbolisiert durch das Kreuz mit zwei Wassereimern daran.
Der solide Treppensteg zum Ufer, genutzt durch campende Angler:
Der Ausblick vom Steg auf den See, dessen Wasser in den Arktischen Ozean entwässert:
Es ging mit dem Büsli weiter in die Ranger-Zentrale Maslanga bei ⑦, weitere Gäste stiessen dazu und wir liefen los. Vorbei an guter Camping-Infrastruktur, traumhaften Seen-Landschaften und durch beeren- und pilzübersäte Wälder liefen wir vielleicht 2-3 Kilometer bis zur Kirche des Lokalheiligen Alexander Svedskiy, die vor 150 Jahren auf Privatinitiative eines Bauern am höchsten Punkt weit und breit errichtet wurde. Damals konnte man von Kirchturm noch 33 Seen erkennen, heute sind es - wegen der Bäume - nur noch 5. Aber wir konnten auf den Kirchturm steigen und dort sehen, dass unter den Holzschindeln tatsächlich Birkenrinde das Dach dichtete!
Wenig später bergab wurden bei ⑮ die drei grossen Ruderboote bestiegen, 5 Personen je Boot. Wir arbeiteten uns in Schlangenlinien durch die weiten und engen Wasserstrassen des Vendosero-Sees, und bewunderten an den Ufern der Wildnis die in Baumstrünke geschnitzten Figuren u.a. der "Belaruskaya" und des angeblichen "Adam". Toll war auch der Holzsteg, an dem wir den Kopf gut einziehen mussten. Nur unsere Tapfersten nutzten den Steg um sich abzustossen und den Booten neuen Schub zu geben!
Dazu knallte der einzige Donnerschlag. Ein Zeichen?
Bei ⑭ erreichten wir endlich das Ziel: eine Müllerei am Seeauslauf, im Flüsschen Kulgot. Man kann sie inklusive allem Umschwung, Booten und Banya, mieten, für 300 Rubel am Tag. Während wir Gäste den Erklärungen Natashas über die hiesige Müllerei im Allgemeinen und Besonderen lauschten (und wenig, sehr wenig verstanden!), entpuppten sich mehrere der anderen "Gäste" als Kochhilfen und bereiteten das Essen vor: Hechtsuppe auf offenem Feuer! Eigentlich war es nur minimal gewürztes Wasser mit einigen Kartoffeln und Hechtscheiben drin, dazu am Tisch Dill, Frühlingszwiebeln und schwarzer Pfeffer á discretion. Es schmeckte ausgezeichnet! Dazu standen wie üblich frische geschnittene Gurken und Tomaten auf dem Tisch, Brot, Eier, Dessertpralinen und süss gefüllte Piroggen. Zu Trinken gab es aus Blechnäpfen aus einen Eimer Tee aus Erd- und Blaubeerblättern, Birkenblättern und Fichtennadeln. Wir hatten ein Tischtuch und allen Komfort.
Den Rückweg ruderte ich, was ich mir leichter vorgestellt hatte. Vor allem das Dirigieren durch den israelischen Touristen, der auf dem Hinweg im Rudern gut gewesen war: seine Anweisungen für mich waren manchmal unbrauchbar und ich ruderte in den engen Kanälen viermal ins Ufer. Nur noch Staken half heraus aus Schilf und Schlamm! Am Ende hatte ich komischerweise keine Kraft mehr in den Beinen und fiel beim Aufstehen einfach rücklings ins Boot und kam ohne Hilfe nicht hoch!
Wir liefen zurück, und im UAZ verglichen die Ruderer die Blessuren an den Händen (3). Dazu brauchte es ja nicht viel Russisch, und die Stimmung war eh schon viel besser als am Morgen!
Noch vor unserem Abendessen gingen wir Drei eine Runde im See baden. Das Wasser war herrlich erfrischend und genau angenehm, Renja liess sich sogar in aller Ruhe von den Fischchen anknabbern! Unser Seezugang sah heute abend so aus:
Am Abend erfuhren wir, das das benachbarte Touristenzentrum WiFi hat. Die Leistung war allerdings mit 0.02 MB/s Upload (gemessen!) so gering, dass ein Posten des gestrigen und/oder heutigen Eintrags unmöglich war. Dafür traf ich unsere inzwischen drei Betreuer Evgeniy, Natasha und Anna (Freundin? von Evgeniy) beim Abendessen, und die Damen leerten eine Flasche Hagebuttenlikör der Marke Dr. August und die Herren eine Flasche Vodka. Dazu hab es Sprotten in Öl aus dem Glas. Ich fand heraus, dass Evgniy ein guter Photograph ist mit attraktivem Portfolio, und dass mein Russisch noch nicht viel hilft. Aber wir hatten eine gute Zeit.
Morgen geht es weiter, oh so früh. Dort in Kargopol gibt es aber sicher Internet!
Das scheint mir ein ausgesprochen lustiger und schöner Tag gewesen zu sein. Aber pass mit auf, Vati. Übrigens, rudern geht immer in die Beine, man drückt sich damit ja mit aller Kraft ab, die Arme machen sozusagen nur noch den letzten Feinschliff.
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