25. Oktober 2014

Samarqand

Gestern erreichten wir nach langer Fahrt auf Fernstrassen unterschiedlicher Qualität die ehemalige Hauptstadt des Weltreichs des Emir Timur. Fast 500 Jahre, ab 1350, lang herrschte seine Dynastie über Mesopotamien, Nordindien, Moskau und die Türkei. Das war die Zeit, als das bekannte "Haus zum Seilen" in der Basler Dalbe gebaut wurde! Samarquand war die Hauptstadt dieses Reiches:


(in Rosa die direkt regierten Provinzen, in Gelb die Abgabenzahler). 
Die Bauten der Koranschulen (Madrasah), Moscheen und Mausoleen in Samarqand übertrifft die anderer Städte bei weitem in Grösse und Pracht. 



Am Registan-Platz:







Seht ihr im nächsten Bild die Person am Eingang stehen? Die Dachreling der von Anfang an verfallenden Moschee der Tochter Timurs ist 53 Meter hoch, und wurde mit Beute aus Indien finanziert. 95 Elephanten schleppten Gold nach Samarkand. Der Architekt wurde hingerichtet, als die Moschee nach bereits vier Jahren Kacheln und Steine verlor. 


Eine Buchstütze für den Koran des Emir Timur. Früher sind abergläubische Frauen durch die Gänge darunter gekrabbelt, für erhöhte Fruchtbarkeit. Ist heute verboten. 




Abendessen hatten wir dann in einem enttäuschenden Disco-Schuppen "Nowy Arbat", der Boden bebte von der U15-Disco im Untergeschoss und das Essen war mittelmässig und teuer. Aber sie hatten eine merkwürdige Bronze-Dame mit Regenschirm vor dem Eingang stehen:


Wir stoppten nachts noch an einem Supermarkt, um Delikatessen für meine Geburtstagsfeier im Büro zu kaufen, überzogen aber unseren Geldvorrat und Bek musste einspringen. 

Auf den Markt am nächsten Morgen, bei idealem sonnigem Wetter. 





Wir verstauten Beks Einkäufe (Mitbringsel aus Samarqand für den Vater, denn der Markt ist dort besser; wir hatten auf dem Markt nur mit den Augen geguckt) im Minibus und fuhren auf die andere Strassenseite. Dort liegt ein alter und neuer Friedhof, mit Mausoleen der Timur-Dynastie und modernen Grabstellen. 

Lageplan der Mausoleen





Sehr interessant war das neue Museum von Mirzo (= Prinz) Ulangh Bek, Enkel von Timur, einem ausgezeichneten Kartographen und Astronomen. Das 1907 ausgegrabene Labor mit einem 16 Meter hohen, in Stein gehauenem Sextanten erlaubte ihm genaueste Vermessung von rund 1350 Fixsternen!


Dann kam die letzte Station in Samaqand, die historische Papiermühle. Sie nehmen/nahmen als Fasermaterial Maulbeerbaum-Bast, kochen die Fasern und stampfen die Pulpe, schöpfen die Blätter und streichen dann die Schreibseite des trockenen Papiers mit Kuhhörnen oder Muscheln glatt und glänzend. An der Wand hing über allem das Bild vom Besuch Medvedevs und Kamirovs, der Chef der Mühle standcselbst im Shop. Unsere Techniker im Team blühten auf!




Jetzt fahren wir auf der holprigen Strasse nach Tashkent. Es ist da nicht so leicht auf einem iPhone-Touchscreen Texte zu tippen oder Spiele mit einem "Shake for restart" zu spielen ...

Aber eine Pause für's Mittagessen (frisches Fladenbrot und Trauben vom Feld) oder zum Kauf von Granatäpfeln liegt allemal drin. 



Ortseinfahrt in Tashkent dann mit R.E.M. im Ohr. 

23. Oktober 2014

Regenteppich

Es regnete den ganzen Vormittag während unseres Rundgangs durch Bukhara (russisch: Вухоро). Mit Schirm (Die Schlaue Rhea) oder Kapuze (Ulrike, Renja und Aaron) kein Problem, solange die Anoraks dicht bleiben. Andere Teilnehmer (Bek, ...) wurden eben nass, liessen sich aber weder Nässe noch Neid anmerken. Ausserdem kam zumindest ich wirklich oft in den kuscheligen Genuss des geteilten Schirmes! 

Wir begannen am Mausoleum des Mediziners Avicenna, mit tollen Baudetails. 


Wenig Touristen zu sehen. Komisch bei diesem Wetter, gell?

Wir liefen weiter, an einem Handwerkerladen (in dem wir drei sehr schöne Seidentücher für die Damen erstanden und ich alberne "Fähnlein Wieselschweif"-Fellmützen probierte) und dem Wassermuseum vorbei, zu einer Moschee des Khans, die moch aktiv ist und deshalb die heute gültigen Gebetszeiten anzeigte. 




Danach gab es aber erst mal eine Stärkung in einer normalen Strassenküche, Suppen und Fladenbrot. Draussen goss es: 



In der Festung ("Ark") des Khan verbrachten wir dann viel Zeit in eher einfachen Ausstellungen mit überheizten Räumen und schläfrigen Aufpasserinnen (in Grün). Aber es war trocken und trocknend. 




Beim Verlassen des letzten Museums hatte es aufgehört zu regnen. Über den Goldmarkt (nur Frauen an den Ständen) bummelten wir zur grossen Moschee und der Masala ( Koranschule) - einer der bedeutendsten der russischen islamischem Welt: es war die einzige Masala, die während der ganzen Sowjetzeit offen blieb, und sie brachte mehrere Ministerpräsidenten von zentralasiatischen und russischen Ländern hervor ("Old Boys"). Der Bau ist phantastisch. 






In der nächsten Gasse führte uns Bek in den ersten Teppichlanden des Landes, wo wir von Sabina, einer sehr, sehr cleveren Verkäuferin von in eigener Werkstatt hergestellten Teppichen begrüsst wurden. Sie erzählte uns ausführlich über die Firma: 250 Teppichknüpferinnen zwischen 18 und 30 Jahren, Bezahlung nach Anzahl Knoten pro Stunde, Monatsentgelt bei 6x8 Wochenstunden zwischen 300 und 1000 USD, Tagesleistung etwa 4 Knüpfreihen in Seide oder 12 in Wolle. Auch über Teppichqualitäten (Seide, Babycamel, Schaf) und Qualitätskriterien (Strich, Material, Knoten) erfuhren wir viel Interessantes. Und wir sahen ganz tolle Seidenteppiche für 50'000 Euro! Rhea durfte am Knüpfstuhl selber versuchen, war aber nicht ganz so atemberaubend flink wie die Meisterin daneben. Wir waren ernsthaft interessiert an einem echten Bukhara-Teppich, und liessen uns dann in aller Ruhe bei Tee und Zuckerstückchen die Modelle in 3x4 m und 2x3 m zeigen. Es gefielen Ulrike und mir meist die gleichen, aber die Grösse war entweder zu gross oder zu klein. Dann holten sie noch Teppiche mit 2,5 x 3,5 m Mass aus dem Lager, und der erste davon war es dann, wirklich ganz spontan. Wir verhandelten dann noch bestimmt eine Stunde über den Preis, davon 40 Minuten wegen Stromausfalls im Schein von Taschenlampen und iPhone-LEDs. Mit einer Anzahlung von 950 Dollar in bar waren wir dabei, der Rest wird nächste Woche überwiesen. Wir lassen den Teppich nach Moskau schicken. 


Beim Rausgehen erzählte uns Bek, der hier wirklich jeden kennt und aus jedem Geschäft gegrüsst wird, dass Sabina 24 Jahre alt ist und seit ihrem 7. Lebensjahr auf der Strasse Dinge verkauft. Das erklärt ihren kräftigen Händedruck und ihr hartes Verhandlungstalent. Ich war nämlich geschafft wie selten nach dem Abschluss. 



22. Oktober 2014

Khiva (die Worte, die gestern fehlten)

Eins sei vorausgeschickt: Aufstehen in Tashkent war um Vier Uhr Dreissig. 

Es fiel nicht leicht aufzustehen. Fünf Uhr war Frühstück im grossen Ballsaal, nach Packen und Auschecken Abfahrt zum Flughafen um Sechs. Der Regen strömte, als wir über den schier endlosen, abgesicherten Vorplatz zum Eingang hechteten. Nach ruhigem Flug von 1,3 Stunden landeten wir im kalten (2 Grad!) Urgench. Der neue Guide Bekhrom ("Doctor Ralph, you can call me Bek!") brachte uns im neuen Toyota-Minivan zu Hotel "Old Khiva" direkt an der Stadtmauer. Schon kurz nach Zehn standen wir - dick eingemummelt - vor dem handgemalten Atlas der Seidenstrasse und lauschten dem lokalen Guide "Johnny". Johnny war anfangs etwas indisponiert, wohl wegen Ethanol-Abusus am Vortag, fand aber im Lauf des Tages zu alter Form zurück, Vollprofi eben. 

Zur Altstadt von Khiva schreibe ich nichts historisches hier. Sie ist ein wunderbares Ensemble, wie Warschau auch zum grossen Teil rezent wiederhergestellt. Sehr beeindruckend! Vor dem Tor steht eine grosse Bronzestatue des hier aufgewachsenen Mathematikers Mohammed Al Chorasmi (ohne Witz: nach ihm sind die Algebra und die Algorithmen benannt!). 
Den ganzen Tag, mit zwei Aufwärmpausen, schlenderten wir durch Khiva, und hörten viel über die Bedeutung der Bauten und den Islam. Die alte Moschee mit ihren geschnitzten Holzsäulen und Lichtkuppeln und die Stadtmauer mit Ausblick wären vielleicht noch erwähnenswert. 

Und natürlich die Fellmützen. Für ein Anfangsangebot von 20 Euro gab es schöne Fuchs-/Lamm-Mützen, die uns aber leider alle nicht passten. 

Abends gingen wir mit Bek noch Essen, die übliche Reihenfolge von Salaten, Suppe, Hauptgang und Dessert. Als nach dem Dessert im ganzen Lokal die Lichter gelöscht wurden, erahnte ich schon die kerzengekrönte Torte hinter der Küchentür!  Es gab dann auch für alle Tische im Lokal und das Personal ein paar Stücke der Torte, weil sie so schön "Happy Birthday" mitgesungen hatten!

Heute war normales Aufstehen, und Frühstück gemeinsam mit Dr. Tigges. Danach fuhren wir los durch die Wüste, zum Teil auf neuer Piste, 450 Kilometer immer entlang an der Grenze zu Turkmenistan nach Süden, nach Bukhara. Wenn ich euch ein Bild von der Fahrt zeige, dann habt ihr die Landschaft der letzten sechs Stunden gesehen: 


Aber auch der Melonenkauf am Strassenrand (für's Mittagessen) ist sehenswert:


Am Grenzfluss zu Turkmenistan:


Sehnsüchtiger Ausblick von der Ruckelpiste auf den Strassen-Neubau:


Als Letztes, am Ortseingang von Bukhara schon, stoppten wir an einem Baumwollfeld. Überschlägig berechnet, bei einer Jahresproduktion von 4 Millionen (relativ kurzfädiger) Baumwolle und einer Tagespflückleistung von 100 kg, muss jeder Uzbeke einen Tag pro Jahr pflücken!
Baumwolle blüht und trägt gleichzeitig:



Khiva (fast ohne Text)



Das Denkmal des Al Khorimi:



Das kurze Minaret als Kulisse für das Photoshooting: 


Fladenbrot backen:


Im Hof des "Rathauses" mit Führer Johnny:







Und nochmal Geburtstag:













824: „Muß di ni argern, dann geit di dat goot“

Sinnspruch an der Wand des Glücklichen Matthias : Darunter schmeckte uns Pannfisch und Schlemmerteller (nein, nicht der vom Horst!).  Danach...