23. Januar 2017

Hippodrom Moskau 2017





Das Russische kennt ja den Laut "H" nicht. Er wird oft ersetzt durch ein weich gesprochenes "G", oder ein kehliges (fast Schweizerisches) "CH", oder garnicht. Im Fall des Moskauer Hippodroms kam die letzte (und wohl auch beste) Variante zum Zug, so dass es als "Moskovskiy Ippodrom" firmiert.

 

Das Hippodrom ist eine grosse Trabrennbahn, getragen von staatseigenen GAZPROM-Konzern (und damit aus vorenthaltenen Steuergeldern).  Gegründet wurde das Gestüt mit angrenzender Bahn und Tribüne schon 1834, erweitert 1955, und ist damit eine der ältesten Bahnen Europas. Ich habe ja aus Kindertagen eine besondere Beziehung zu Trabrennbahnen, seit mein Onkel als Sportreporter der späteren WAZ mich regelmässig in seiner Isetta zur Dinslakener Trabrennbahn mitnahm. Ich war da vielleicht 3 oder vier Jahre alt und ein Jahr älter als die Dinslakener Bahn. Wahrscheinlich kann ich mich ja nur indirekt, über Erzählungen der Eltern und Photos, an diese Zeit erinnern. Im Kopf habe ich aber ganz genau die bis zum Horizont reichende rote Schlacke der Bahn, und eine einfach genagelte, weisse Bahnbegrenzung, unter der ich aufrecht durchgehen konnte. Pferde kommen in der Erinnerung allerdings nicht vor.

Komischerweise blieben mir vom gestrigen Sonntagsausflug zum einmal jährlich stattfindenden Moskauer Derby auch mehr die Zuschauer als die Pferde in Erinnerung, obwohl letztere schon sehr ansehnlich waren. Zum Beispiel dieses chic veredelte Warmblut in den Katakomben unter der Tribüne:



Die Gebäude der grossen Tribünen mit der schönen Kassettendecken-Bemalung gaben einen guten Überblick über die gesamte Anlage, bis hinüber zu den grossen Stallungen. Die Bahn liegt zu Fuss schwer erreichbar im Norden, nahe des Weissrussischen Bahnhofs, und man kann von der Tribüne aus drei der Stalin'schen Hochhäuser sehen: das Aussenministerium, die Universität, und das Hotel Ukraina.



Natürlich gab es Goldpokale, überreicht von russischen Ehrenjungfrauen im Pelz:



Auch die Männer trugen oft Pelz, meist roten Nerz noch aus den besseren Tagen:



Es waren ja auch fast nur Männer zum Rennen gekommen, und sie engagierten sich durch die Bank beim Wetten. Da wurde das Programm beschriftet, beraten, gemunkelt und verglichen, hitzig diskutiert und kleine Kassiber ausgetauscht. Einer der Männer direkt neben uns schien bei Rennen 7 etwas gewonnen zu haben, und wohl nicht unerheblich, er schrie sich schon beim Einlauf (der Pferde!) die Seele aus dem Leib und verfiel dann in Dauergebrüll und zitterte am ganzen Körper, als er zum Buchmacher wankte. Der Maximalgewinn bei diesem Rennen war immerhin RUB 72'000, also etwa EUR 1'200!

Während wir beide mittags unseren Grüntee und ein Käse-Butterbrot etwas heimlich auf der Tribüne verdrückten (man isst ja nicht einfach so in der Öffentlichkeit!), breiteten die älteren Herren um uns herum ungeniert ihr Picknick auf den Sitzplätzen aus. Ihr einfaches Mahl aus Dunkelbrot, weissem Speck, Salzgurke und Vodka (aus der Thermoskanne) schien mir auf einmal leckerer als diese dünne Käsestulle mit Dill-Verzierung ...

 


Das angekündigte und erhoffte Rennen der "Troikas" fand leider nicht (mehr?) in unserer Anwesenheit statt (wir gingen nach gut 3 Stunden wegen der kriechenden Kälte). Die Dreispänner waren zwar da, traten aber nicht gegeneinander an. Übrigens sind die Apfelschimmel speziell gezüchtete Orlov-Pferde, von denen es nur noch 500 Zuchtstuten weltweit gibt! Das mittlere Pferd trabt, während die beiden äusseren Tiere galoppieren.


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