31. Januar 2017

Morning Thrill

Man hat ja schon viel Merkwürdiges gesehen aus Russland, YouTube und Vimeo wurden gross mit Zusammenschnitten russischer Selbstüberschätzung und Naivität. 
Wer erinnert sich nicht gerne an seine Zweifel beim Anblick selbst gebauter Bungee-Anlagen auf verschneiten Hausdächern, und die spitzen Schreie der ersten halb-freiwilligen Tester? Oder die explodierenden Gullideckel, die zahllosen unvorstellbaren Überholvorgänge, und den strassenkreuzenden Panzer?

Aber Filme sind nichts, wenn man den Thrill auch live haben kann!

Gestern früh, auf dem Weg zur Arbeit, passierte ich wie jeden Morgen die kleine Gruppe Chauffeure, die vor der Tiefgarage auf ihre Chefs warteten. Einer von ihnen machte sich gerade an der Beifahrertür seines schwarzen G-Modells zu schaffen, und holte heraus - eine Pistole!  So weit, so normal: die Chefs sind ja wichtige Leute, da kann eine Bewaffnung der Fahrer/Bodyguards durchaus erwartet werden. Nur meistens zeigen sie ihre Waffen nicht so herum. 
Während ich die Gruppe passierte, nahm dieser eine Fahrer nun wirklich die Pistole hoch, lud durch - und fing an mehrere schallgedämpfte Schüsse abzugeben. Sein Ziel: ein grosser Eiszapfen oben an der Dachrinne des Nachbarhauses! Er wollte wohl einfach seinen Kollegen imponieren und das Ding runterputzen, damit es niemandem auf den Kopf fällt!  

Wäre es mein Bodyguard gewesen (unwahrscheinlich), ich hätte ihn ja sofort gefeuert: Er hat nicht getroffen. 

 

29. Januar 2017

Sinnvolle Bemerkung

Vielleicht ist es wichtiger seinem Leben Sinn zu geben als Glück zu suchen. 

Das könnte stimmen, oder?

28. Januar 2017

La Bayadère auf der Historischen Bühne

Gestern war es endlich soweit, und Ulrike konnte ihr Weihnachtsgeschenk einlösen! Mit den üblichen drei Monaten Vorverkaufsfrist hatte ich uns zwei Karten für das Ballett "La Bayadère" gekauft. Wir liefen stramm die Tverskaya hinunter, und waren wieder einmal froh um die zentrale Lage der Wohnung. Im Beutelchen trug ich Ulrikes Louboutin-Schuhe (hihihi: alternativer Fakt!) zum Wechseln nach dem Matsch, und wir waren pünktlich genug an unserem Platz, um schon mal den handgestickten (!) Vorhang zu bewundern. 
Das Bolshoi-Theater wurde übrigens 2012 völlig neu durchkonstruiert (es stand seit 1776 auf weichen Fundamenten und drohte einzustürzen). Daher ist die Einrichtung, Technik und Akustik vom Feinsten. Was nach Gold aussieht, ist auch Gold!

 

 

Ich werde hier bestimmt nicht das Ballet selber beschreiben, es sei nur gesagt, das wir beide (und noch viele andere!) restlos begeistert waren von Tanz, Musik, Bühnenbild und Atmosphäre. Gestern tanzten Olga Smirnova die Tempeltänzerin Nikia, und Semyon Chudin den Solor - ein harmonisches Paar. La Bayadère (oder "Bayaderka" auf Russisch) wurde 1877 in St. Petersburg uraufgeführt. 1904 kam es dann ans Bolshoi nach Moskau (laut Programmheft war es die 343. Aufführung überhaupt, und die 191. in neuer Choreographie. Das Bolshoi arbeitet jetzt in der 241. Saison!

Die Vorstellung hatte drei Akte, zwei Pausen (in denen man ein Gläschen Veuve Cliqot schlabbern konnte, sofern man genügend Bargeld dabei gehabt hätte! 32 Euro für eine Flûte ist ja kein Pappenstiel!), und dauerte von 19:00 bis 22:10 Uhr. Wir wurden nicht müde, aber die klimatisierte Luft schien uns zu trocken zu sein und belastete die Augen. 

Photographieren war ja strikt verboten, aber irgendwie kamen (leider qualitativ schwache) Photos doch auf mein iPhone. 

 


 
 
Aus dem Programmheft musste ich unbedingt ein Bild kopieren, wir haben die Figur wirklich so getanzt/gesprungen gesehen!

 

La Bayadère gilt ja als ein ekklektisches Stück, und so gab es neben der Romantik auch recht athletische Figuren wie diesen Goldjungen für die Damen. 

 

Achtung: unten sitzt ein kindlicher "Mohr" mit schwarz angemaltem Gesicht!! In etlichen Ländern undenkbar! 

23. Januar 2017

Besuch in Moskau (4): Wohlbefinden und Interaktion





Kommunikation
Sprache und Schrift
Linguistisch lohnen sich zwei Vorbereitungsschritte für den respektvollen Touristen: Kyrillisch buchstabieren und einige wichtige Worte und Phrasen (annähernd) richtig aussprechen können.
Zeitzonen und Sommerzeit
Russland hat insgesamt 9 Zeitzonen, zwei davon trennen Moskau im Winter von Zentraleuropa. Anders ausgedrückt: Wenn es im Winter in Berlin 11:28 Uhr ist, dann ist es in Moskau schon 13:28 Uhr.
Die Sommerzeit ist abgeschafft. Wenn es also im Sommer in Berlin 11:28 Uhr ist, dann ist es in Moskau erst 12:28 Uhr!
Internet
Die Technik in den Städten bietet nahezu flächendeckend hohe WLAN-Geschwindigkeiten (d.h., LTE). In den meisten Restaurants und Cafés ist WiFi gratis, und sogar auch in den grossen Parks und der Metro/Bussen. Data Roaming ist dadurch nicht erforderlich und nicht empfohlen, denn Roaming ist extrem teuer!
Mobiltelephon
Roaming ist, wie gesagt, höchst unattraktiv, sowohl für Telephonie als auch für Daten. Prepaid gibt es nicht, und die verhältnismässig günstigen Flats (2 GB LTE für EUR 5!) nur mit einer gültigen Aufenthaltsbewilligung. Für den „Anruf daheim“ empfiehlt sich also Skype oder Whatsapp aus irgendeinem gemütlichen Café heraus.
Umgang mit den Leuten
Russen sind ein selbstbewusstes Völkchen, in letzter Zeit sogar noch zunehmend. Grundlose Freundlichkeit Fremden gegenüber ist selten, der getragene und gewünschte Gesichtsausdruck ist im Allgemeinen seriöser Ernst. Durch respektvolles und ebenfalls selbstbewusstes Verhalten kann man sich allerdings „auf Augenhöhe“ näher kommen und wird oft sehr angenehm überrascht, muss aber eben immer auch auf knurrige Gegenüber gefasst sein..
In Moskau und St. Petersburg kann man mit Englisch durchkommen, es wird allerdings sehr geschätzt mit einigen Brocken Russisch das Gespräch einzuleiten und das Gewünschte zu verdeutlichen. Deutsch spielt im Alltag überhaupt keine Rolle. Ein Dictionnaire auf dem Smartphone (Leo, PONS) ist hilfreich.



Wohlbefinden
Sicherheit
Die Gegenden, in denen sich unsere Besucher bewegen, können als sicher für Leib und Leben angenommen werden. Überfälle und Diebstahl sind in der ganzen Stadt selten, da ja an jeder Ecke Polizisten stehen. Taschendiebe auf dem Roten Platz kann es aber – wie an jedem internationalen Touristenknoten – durchaus geben.
Wachen und Polizei aller Art sind allgegenwärtig. Absperrungen und Schranken ("shlakbaum") sind manchmal nur angedeutet, aber nicht minder gültig: sie werden unmittelbar durch die Wachen durchgesetzt. Überhaupt hört bei „Grenzverletzungen“ der Spass sofort auf: Geraunzten Aufforderungen irgendwelcher Leute mit und ohne Uniform sollte man immer und unverzüglich Folge leisten. Auch wenn man sie nicht versteht und sich vielleicht sogar im Recht wähnt, so ist der angeschlagene Ton doch meist eindeutig genug und legt einen kurzfristigen Rückzug auf allgemein zugängliches Territorium nahe.
Die russische Bevölkerung ist gewohnt Regeln einzuhalten. Wenn man nicht auf den Rasen gehen soll, dann geht man nicht auf den Rasen. Niemand geht auf den Rasen. Niemand. Wo ist hier Rasen??

Gesundheit
Medikamente
Die Medikamentenversorgung in den zahlreichen Apotheken ist durchwegs gut und günstig, allerdings sind die vertrauten Marken nicht oder nur mit zeitlichem Aufwand erhältlich. Wer den internationalen Wirkstoffnamen der gewünschten Medikamente kennt, kann oft (auch online) günstig lokale Generika kaufen. Die Kommunikation in den Apotheken mit ihren gläsernen Sicherheitsbarrieren ist manchmal schwierig, akustisch und sprachlich. Uns haben da aber auch schon Leute in der Schlange hinter uns geholfen und übersetzt (das wiederum will man aber auch nicht unbedingt für jedes Medikament …).
Die einfache Variante: Pflichtmedikamente in ausreichender Menge mitbringen.
Ärzte und Kliniken
… sind kein Problem in den Grossstädten, wenn Englisch in der Kommunikation nicht stört. Gute Erfahrungen haben wir mit den gut erreichbaren Diplomaten-kliniken MEDSI und EMC gemacht. Die Ärztinnen sprechen z.T. ausgezeichnet Englisch, zur Not übersetzt eine Assistentin.
Notfälle
Lieber nicht!
Wetter
Moskau hat feuchtes kontinentales Klima, d.h. lange, kalte Winter und heisse Sommer. Manchmal sogar sehr kalt und sehr heiß. Und wenn es regnet oder taut, dann steht das Wasser schnell in riesigen Pfützen auf den Strassen. Der Wind kann im Winter und im Sommer zusätzlich schön „erfrischen“.
Die Luftqualität Moskaus ist, nun ja, städtisch (d.h. hoher Feinstaub- und Ozon-Gehalt).
Kleidung
Da gibt es eigentlich nichts besonderes mitzubringen. Wenn man aus Westeuropa kommt genügt die übliche Kleidung, vielleicht ausgelegt für eine etwas extremere Witterung. Und wasserdichte, bequeme Schuhe mit guter Sohle (die im Winter unter dem reichlich verteilten Salz leiden werden).
Grundsätzlich sind Frauen in der Öffentlichkeit eher gut gekleidet, Highheels sind beliebt und für den Abend fast Pflicht, während die Herren der Schöpfung ihr schwarzes G-Modell eher in hängenden, verbeulten Jeans (aber von Armani!) vorfahren. Abend- und Ausganggarderobe ist für beide Geschlechter formal und edel. Im Winter wird von Frauen allgemein (echter) Pelz getragen, bei Männern beschränkt sich der Pelz auf Kapuzenumrandung und Kappen.
Frauen müssen beim Betreten von Kirchen ein Kopftuch (manchmal eine Schürze) tragen. Wer also schon einen leichten Schal besitzt und sich für Kultur interessiert, die sollte diesen hier in der Handtasche immer dabei haben. Ansonsten betreiben alte Weiblein in den Kirchen auch einen Kiosk, in dem sie Kopftücher, Kerzen und Ablasszettel verkaufen. Bei touristisch sehr aktiven Kirchen stehen machmal Körbe mit Tüchern und Schürzen zum Ausleihen bereit.


Geld
Die Währung ist der Rubel (ISO-Kürzel: RUR, sonst auch: RUB). 1 Rubel hat 100 Kopeken (die häufig gar nicht mehr verwendet werden).
Preisniveau und lokaler Bedarf
Das Preisniveau für Güter des täglichen Bedarfs ist etwa das von Frankfurt; der grosse Wocheneinkauf für eine dreiköpfige Familie kostet zur Zeit rund RUB 10'000 bzw. EUR 150.
Moskau war noch vor 3 Jahren eine der teuersten Städte der Welt (wenn man die Wohnungsmiete einrechnet, sogar die teuerste nach Tokio), allerdings hat der Kollaps des Rubelwertes diesen Rekord gekippt. Die Inflation liegt z.Z. bei 5-6% pro Jahr, das ist lokal spürbar (nicht jedoch für Besucher). Ein Restaurantbesuch in einem bedienten Restaurant (ohne Schnickschnack und alkoholische Getränke) liegt bei 1000 – 2000 Rubel pro Person.
Geldwechsel, Kurse
Rubel tauschen sollte man grundsätzlich im Land. Die Suche nach günstigen Bedingungen bei einer der allgegenwärtigen Wechselstuben kann abenteuerlich sein, denn diese verdienen ihre Marge entweder über schlechte Kurse oder über eine gesalzene Kommission von 3-5%. Wer das Abenteuer scheut oder besseres zu tun hat als Wechselstuben abzuklappern, der wechselt an Bankomaten (ATM) mit der Kreditkarte mit Auszahlung in Rubel (guter Kurs aber Gebühren), oder privat bei den Gastgebern auf der Basis der offiziellen Wechselkurse der Nationalbank.

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Kreditkarten
sind sehr verbreitet und werden fast in jedem Geschäft akzeptiert, die Wechselkurse sind vorteilhaft. Gebühren für Bargeldbezug an ATMs hängen ab von der die Kreditkarte ausgebenden Bank (vorher über deren Partnerbanken in Russland erkundigen, so dass die passenden ATMs gewählt werden können). Russland ist auch eines der ersten Länder weltweit mit Apple Pay für MASTERCARD, superschnell!



Hippodrom Moskau 2017





Das Russische kennt ja den Laut "H" nicht. Er wird oft ersetzt durch ein weich gesprochenes "G", oder ein kehliges (fast Schweizerisches) "CH", oder garnicht. Im Fall des Moskauer Hippodroms kam die letzte (und wohl auch beste) Variante zum Zug, so dass es als "Moskovskiy Ippodrom" firmiert.

 

Das Hippodrom ist eine grosse Trabrennbahn, getragen von staatseigenen GAZPROM-Konzern (und damit aus vorenthaltenen Steuergeldern).  Gegründet wurde das Gestüt mit angrenzender Bahn und Tribüne schon 1834, erweitert 1955, und ist damit eine der ältesten Bahnen Europas. Ich habe ja aus Kindertagen eine besondere Beziehung zu Trabrennbahnen, seit mein Onkel als Sportreporter der späteren WAZ mich regelmässig in seiner Isetta zur Dinslakener Trabrennbahn mitnahm. Ich war da vielleicht 3 oder vier Jahre alt und ein Jahr älter als die Dinslakener Bahn. Wahrscheinlich kann ich mich ja nur indirekt, über Erzählungen der Eltern und Photos, an diese Zeit erinnern. Im Kopf habe ich aber ganz genau die bis zum Horizont reichende rote Schlacke der Bahn, und eine einfach genagelte, weisse Bahnbegrenzung, unter der ich aufrecht durchgehen konnte. Pferde kommen in der Erinnerung allerdings nicht vor.

Komischerweise blieben mir vom gestrigen Sonntagsausflug zum einmal jährlich stattfindenden Moskauer Derby auch mehr die Zuschauer als die Pferde in Erinnerung, obwohl letztere schon sehr ansehnlich waren. Zum Beispiel dieses chic veredelte Warmblut in den Katakomben unter der Tribüne:



Die Gebäude der grossen Tribünen mit der schönen Kassettendecken-Bemalung gaben einen guten Überblick über die gesamte Anlage, bis hinüber zu den grossen Stallungen. Die Bahn liegt zu Fuss schwer erreichbar im Norden, nahe des Weissrussischen Bahnhofs, und man kann von der Tribüne aus drei der Stalin'schen Hochhäuser sehen: das Aussenministerium, die Universität, und das Hotel Ukraina.



Natürlich gab es Goldpokale, überreicht von russischen Ehrenjungfrauen im Pelz:



Auch die Männer trugen oft Pelz, meist roten Nerz noch aus den besseren Tagen:



Es waren ja auch fast nur Männer zum Rennen gekommen, und sie engagierten sich durch die Bank beim Wetten. Da wurde das Programm beschriftet, beraten, gemunkelt und verglichen, hitzig diskutiert und kleine Kassiber ausgetauscht. Einer der Männer direkt neben uns schien bei Rennen 7 etwas gewonnen zu haben, und wohl nicht unerheblich, er schrie sich schon beim Einlauf (der Pferde!) die Seele aus dem Leib und verfiel dann in Dauergebrüll und zitterte am ganzen Körper, als er zum Buchmacher wankte. Der Maximalgewinn bei diesem Rennen war immerhin RUB 72'000, also etwa EUR 1'200!

Während wir beide mittags unseren Grüntee und ein Käse-Butterbrot etwas heimlich auf der Tribüne verdrückten (man isst ja nicht einfach so in der Öffentlichkeit!), breiteten die älteren Herren um uns herum ungeniert ihr Picknick auf den Sitzplätzen aus. Ihr einfaches Mahl aus Dunkelbrot, weissem Speck, Salzgurke und Vodka (aus der Thermoskanne) schien mir auf einmal leckerer als diese dünne Käsestulle mit Dill-Verzierung ...

 


Das angekündigte und erhoffte Rennen der "Troikas" fand leider nicht (mehr?) in unserer Anwesenheit statt (wir gingen nach gut 3 Stunden wegen der kriechenden Kälte). Die Dreispänner waren zwar da, traten aber nicht gegeneinander an. Übrigens sind die Apfelschimmel speziell gezüchtete Orlov-Pferde, von denen es nur noch 500 Zuchtstuten weltweit gibt! Das mittlere Pferd trabt, während die beiden äusseren Tiere galoppieren.


22. Januar 2017

Besuch in Moskau (3): Formalitäten und Orientierung

Ein- und Ausreise

Immigration
Direkt nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug gilt es hurtig zur Passkontrolle zu eilen, sonst werden die Warteschlangen lang. Die Schalterkonfiguration unterscheidet sich im Detail natürlich nach Flughafen und dort nach Terminal. Wie üblich gibt es bei der Immigration Schalter für Einheimische und Ausländer, und Sonderschalter für Transit, Crew oder Diplomaten/VIP. Der Tipp ist leider nicht mehr geheim: am Schalter für Diplomaten werden auch normalsterbliche Erdlinge abgefertigt. Wenn man Glück hat, wird man von einem Ausländerschalter zu einem benachbarten freien Einheimischenschalter gewunken (hierzu wäre jedoch ausserplanmässiger Augenkontakt mit dem freien Schalterpersonal herzustellen, was nur möglich scheint, wenn die Geburtstage beider Personen auf den gleichen Tag fallen, oder so!). Die Grenzbeamten sind gefühlsarm trainiert. Sie fragen vielleicht, aus welcher Stadt man gerade kommt, sonst gibt es keine Unterhaltung, die sie von ihrer intensiven Tipp-Arbeit ablenken könnte (höchstens sie müssen sich noch mit der Nachbarbeamtin über etwas Wichtiges unterhalten). 
Ende 2016 wurde eine Vorschrift erlassen, die die Erfassung der Fingerabdrücke bei Einreise regelt. Bisher wurden keine entsprechenden Geräte gesichtet, es ist jedoch damit zu rechnen.
Bei Ausreise erfolgt die Immigration nach genau dem gleichen Schema, mit dem Unterschied, dass man die Migrationskarte abgibt und ausgebucht wird. Auch dies wird mit einem Datumsstempel (in todschickem Sicherheitspigment-Pink!) im Pass vermerkt.

Migrationskarte
Die Migrationskarte ist ein mickriges A6-Blättchen, das man bei der Einreise-Passkontrolle erhält und bei Ausreise wieder abgibt. Manchmal muss man die Blätter auch im Flugzeug schon selber ausfüllen, das ist aber simpel. Die Migrationskarte darf auf keinen Fall verloren gehen, also mit Briefklammer im Pass befestigen. Sollte sie trotz aller Sorgfalt bei Abreise nicht mehr auffindbar sein, sollte man getrost 2 Stunden früher zum Flughafen fahren ...

Zoll
Auch wenn für "normale" Touristen kaum regulärer Bedarf bestehen dürfte, lohnt es sich die Zollbestimmungen aufmerksam zu studieren. Es bestehen beiderseitige Sanktionen, und Russland hat einige spezielle Waren reglementiert. 

Ausweise
Grundsätzlich besteht in Russland auch die Ausweispflicht, für Ausländer mit den drei Dokumenten Reisepass, Migrationskarte, und Registrierung, ggf. internationaler Führerschein. Im Alltag genügen mitgeführte Papierkopien des Passes und Visums, die Originale können dann in der Unterkunft bleiben. Die Migrations- und Registrierungszettel kann (und sollte!) man photographieren, so dass man auf Verlangen Existenz und Nummer vorweisen kann.

Registrierung der Visa
Termine
Registrierung der Visa ist notwendig bei Aufenthalten länger als oder gleich 7 Arbeitstagen. Der mit der Registrierung in privater Unterkunft verbundene Aufwand kann wert sein sich zu überlegen, ob man diese Grenze wirklich überschreiten möchte.
Wer, wann, wo?
Die Registrierung wird bei Hotel- und Hostel-Aufenthalt problemlos durch den Gastgeber erledigt, dazu muss man meist in der ersten Nacht den Reisepass an der Rezeption belassen.
Bei privaten Gastgebern muss der (im Grundbuch eingetragene, meist russische) Eigentümer der Wohnung (also nicht der einladende Mieter!) die Registrierung bei einem Postamt oder einem Büro der Migrationsbehörde erledigen. Das machen sie wohl problemlos, es ist aber doch ein mehrstündiger Aufwand für sie, zusammen mit den Gästen und deren Pässen zur nächsten Poststation zu gehen und dort um Stempel Schlange zu stehen.
Wer sich das Ausfüllen eines doppelseitigen russischen Formblattes zutraut, kann diesen Prozess für die Mitglieder der Reisegruppe vorbereiten (ich habe eine Vorlage für Excel gestaltet, die dies einfacher macht). Auf jeden Fall soll man für die Registrierung der Visa durch den privaten Eigentümer der Unterkunft eine Kopie des Passes und des Visums zur Verfügung stellen.

Migrationskarte

Registrierung, Seite 1

Unterkunft
Mit wenigen Ausnahmen wird man in Moskau entweder privat oder in einem Hotel unterkommen. Hostels gibt es, allerdings sehr, sehr wenige: Die Stadtverwaltung macht Hostels das Leben schwer durch strenge (Hotel-)Auflagen, die oft technisch oder finanziell nicht erfüllt werden können. 
Hotelpreise sind auf internationalem Niveau, sobald internationale Gäste dort unterkommen. Russische Buchungsseiten zeigen gelegentlich für vergleichbare Zimmer deutlich geringere Preise in Rubel als die klassischen internationalen Vermittler in USD oder EUR.

Zutritt zur Unterkunft
Dei meisten Gebäude in Moskau werden durch private Wachdienste bewacht ("Ochrana"). Das Personal scheint bei Privathäusern meist nicht speziell qualifiziert, achtet aber darauf, dass in "ihrem" Gebäude alles mit rechten Dingen zugeht. Unbekannte Personen gehören nicht zu den rechten Dingen.
Viele Privathäuser haben Concierges, die ihnen Unbekannte nach dem Ziel fragen. Und alle Häuser haben CCTV-Kameras, die irgendwo auf einem Monitor enden. Die Wachen kennen die Namen der (ausländischen) Mieter nicht, man sollte daher anfangs einen Zettel mit der Wohnungs-Nummer bereithalten, ggf. auch mit der Telephonnummer des Gastgebers (sehr geschickt: das verlagert das Sprachproblem schon mal!). Am zweiten Tag nickt man den dann ja gut bekannten Concierges nur noch ernst und knapp zu und geht entschlossen weiter, man ist ja bestimmt in einem Auftrag unterwegs!
Hotel- oder Geschäftswachen haben andere Kriterien, mehr sowas mit Sicherheit und so.

Wie lese ich eine russische Adresse?
Russische Adressen geben grundsätzlich nicht den Namen des dort Wohnenden an. Die Adress-Struktur ist allgemein ein Nummernschema in der Hierarchie 
PLZ – Stadt – Strasse – Grundstück – Haus - Eingangstür - Wohnung
Es gibt aber manchmal verwirrenden Angaben, wenn z.B. ein Haus auf einen Grundstück an zwei Strassen steht, oder wenn die Hausbezeichnung die Erschliessungsreihenfolge des Grundstücks als zeitlich hintereinander („stroennye“ ст) bzw. gleichzeitig („korpus“ к) ausdrückt. Bei der Klingel an der Eingangstür ("podest") des gibt es dann logischerweise nur ein Zahlenfeld.
Ein detaillierter Ausschnitt aus dem Stadtplan von 2GIS von Moskau sieht dann z.B. so aus:

Die Häuser mit "24/1" liegen auf einem an zwei Strassen angrenzendem Grundstück,
daher eine Doppelnummer. Dito "22/2" und "2/26".
Auf dem Plan sieht man auch zusätzlich die Hinterhofstruktur der alten Bebauung. In diesen Höfen finden sich oft Bäume, Sitzbänke und Kinderspielplätze für die Bewohner.

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Getestete Gratis-Apps (nur iOS) und Websites

Kartenmaterial

Stadtansichten, Presse, etc.

Transport

Wechselkursrechner


Manche Internetadressen sind bereits im Text verlinkt und werden hier nicht mehr wiederholt. Die Adressen verweisen in der Regel auf spezifische Seiten – es kann lehrreich sein im Umfeld weiterzustöbern. Hier einige Internetseiten, die helfen sich im „Neuland“ zu orientieren:

The Calvert Journal, mit guten Photoreportagen über's Land (EN)
Moscow In Your Pocket (EN)
Russia Beyond The Headlines (mehrsprachig kremltreu, auch DE)
The Moscow Times (liberal und für Ausländer, EN)
Russland-Journal (DE), mit vielfältigen Informationen und Sprachkurs-Podcast
Moscow Student's Guide (EN, nicht ganz aktuell)
Virtual Tourist (EN)
The Moscow Expat Site (EN)
Type Russian Letters (wenn man ganz mutig ist und google.ru im Original nutzen möchte!)



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Besuch in Moskau (2): Von A nach B

Transporte sind in aller Regel gut möglich, mit einem dichten Streckennetz in und rund um die Grossstädte, auf dem Land gibt es allerdings so gut wie nichts ausser vielleicht Fernbusse unterschiedlicher Kategorien.

Fluglinien 

Bei der Wahl der Fluglinie (Aeroflot, Lufthansa, ...) spielt der Service keine Rolle, weit wichtigere Kriterien sind Ankunfts- und Abflugszeit und Preis. Wir nutzen Hipmunk (www.hipmunk.com) für die Auswahl der Flüge, und buchen dann normalerweise direkt bei der Fluglinie. Wer dann noch mit der Metro zur Unterkunft fahren will, sollte nicht nach 23:00 Uhr in Moskau landen, da die Metro um ca. 01:00 die Gitter schliesst.
Vernünftige Preise für ein Roundtrip-Ticket liegen um die 300 Euro zwischen grösseren europäischen Flughäfen (FRA, ZRH, LON) und Moskau MOW, Economy. Aeroflot fliegt bis zu viermal täglich nach Frankfurt und nach München, und ihre Airbus A320 sind immer fast voll besetzt. Rund um russische Feiertage sind Flüge teurer.

Flughäfen
Moskau
Moskau hat drei internationale Flughäfen, alle sind gut an die Stadt angebunden (Schnellbahn 30-45 Minuten, Auto/Taxi 1-3 Stunden). Die Sammelbezeichnung der drei Flughäfen für die Flugsuche ist MOW, mit dem nördlichen Flughafen Sheremetyevo SVO, im Süden Domodedovo DME, und dem westlichen Flughafen Vnukovo VKO (in absteigender Grösse).
Bei persönlicher Abholung der Gäste am Flughafen ist der Treffpunkt grundsätzlich in der Halle, im Ausgangsbereich direkt nach dem Zoll. Wer meint unbedingt ein Taxi zu benötigen, soll die Fahrt unbedingt an einem der festen Schalter in der Halle buchen und bloss nicht bei den aggressiven „taxi hookers“.

Bei Abreise rechnen wir je nach Zeitpunkt 2,5 - 3,5 Stunden Transferzeit aus der Stadtmitte zum Flughafen. Dazu später mehr! 
St. Petersburg
Der moderne internationale Flughafen Pulkovo LED liegt im Süden der Stadt, ca. 45 Minuten mit dem Auto/Taxi. Es fährt ein Bus ins Zentrum.

Transport in Moskau
Aeroexpress
Der Transport zwischen Stadtmitte und Flughäfen ist ideal mit der Schnellbahn Aeroexpress. Die Züge fahren im Halbstundentakt und sind 35-45 Minuten unterwegs. Station in der Stadt ist an einem der Kopfbahnhöfe.
Tickets („Standard“) kosten im Online-Verkauf 420 Rubel und sind online oder am Automaten (nur Rubel, teurer) zu kaufen, die Fahrscheine mit QR-Code müssen ausgedruckt werden. Eine iOS-App ist leicht zu bedienen (Eingabe der Kreditkarten- und Passdaten ist in jedem Fall bei Online-Kauf erforderlich) und erlaubt günstige und papierlose Benutzung der kondukteurlosen Bahn (kontrolliert wird mittels Drehkreuzen am Ausgang). Für den Transport besteht Passpflicht.


Metro
Die Moskauer und die St. Petersburger Metro sind eine Sache für sich, wunderbar und laut (85 dB!) Die Züge fahren alle 90 Sekunden auf den Strecken der Innenstadt, da gibt es kein Gehetze. Der Zutritt zum Metronetz erfolgt mittels Einfach- oder Mehrfahrtenkarten, die vorher an der KASSA gekauft werden. Frauen und Veteranen bekommen übrigens in den Zügen wirklich unaufgefordert Plätze angeboten!
Als Streckenplan empfiehlt sich „Metro“ von Yandex, für alle Metros in Russland. Das ist auch eine der Pflicht-Apps für's Smartphone.


Bus, Marshrutka, und Tram
Die Buslinien wurden kürzlich für die Innenstadt Moskaus neu gestaltet, mit neuen Bussen (wie die Metro übrigens alle mit Gratis-WLAN!) Die Fahrpläne sind zeitlich dicht, auch haben sie ein attraktives Netz mit vielen Stationen. Allerdings sind die ausgehängten Fahrpläne nur schwer dekodierbar, neue elektronische Tafeln werden gerade montiert.
Als Fahrtenplaner empfiehlt sich „Yandex.Transport“, für alle ÖV-Verbindungen in Moskau. Das ist auch eine der Pflicht-Apps für's Smartphone.

Taxi
Es wird empfohlen, "schwarze Schafe" im ansonsten gut regulierten Taxigewerbe Moskaus durch Verwendung eines über eine Zentrale gesteuerten Dienstes zu vermeiden. Ein angeblich zuverlässiges Dispatcher-Taxi mit englischen Vermittlern ist FORMULA TAXI, +7 (495) 777-57-77. Die super App von GETT (mit Anmeldung in der App, Abholung und Zielort
 voreingestellt, bargeldlos) bietet zuverlässigen Taxitransport.

Mietwagen
Empfiehlt sich sicher nicht! Sie sind wegen der Versicherung teuer und der Verkehr ist für einen Anfänger nicht unkritisch. In der Stadt fahren die Autos bei minimalem Abstand schnell und selbstbewusst, über Land sind die Strassen schlecht und oft mit Kratern übersät.


Velo
Im Sommer kann man in der Stadtmitte Velos leihen. Das Prozedere ist nicht trivial (mir wurde schon zwei mal die Kaution belastet, ohne dass sich das Schloss an der Mietstation geöffnet hätte!), und die Dreigang-Stahlvelos sind höllisch schwer (und damit auch für Diebe unattraktiv). Immerhin gibt es das jetzt inclusive eines ansatzweisen Radwegmetzes, das ist doch schonmal ein guter erster Schritt. 

Zu Fuss
Apropos Schritt: im Zentrum selber kann man alles gut, und eigentlich sogar ausschliesslich, zu Fuss erreichen. Die Trottoirs sind breit und laden mit Strassencafés unter frisch gepflanzten Linden zum Flanieren ein, und die vielen Polizisten an jeder Ecke machen die Tour auch relativ sicher. Strassendiebe mag es wie in jeder Grossstadt geben, wir selber haben noch von keinem Vorfall gehört. Grössere Distanzen z.B. zwischen Museen legt man dann flott mit Metro oder Bus zurück. Die ideale Planungs-App für smartphonige Fussgänger ist zur Zeit Yandex.Transport.

Ist etwas aufgefallen? Bis jetzt kommt in der Liste noch kein Auto vor! Wir vermeiden (begünstigt durch eine zentrale Lage unserer Wohnung) das Auto so weit es geht und holen es nur selten aus der Tiefgarage. Auto und Taxi sind unberechenbare Gefährte in der Stadt, der Strassenverkehr ist berüchtigt für seine Staus. Die Rush Hour geht morgens von 08:00 bis 10:00 Uhr, danach kommt der normale Mittagsstau, und am Nachmittag zwischen 15:30 und 19:00 Uhr geht kaum noch etwas. Aber die Verkehrsdichte ist unberechenbar! Für die Fahrt von zu Hause zum Flughafen Sheremetyevo SVO brauchen wir an einem Sonntag morgen (vor 10:00 Uhr) etwa 35 Minuten, das wäre normal. An einem Freitag am späten Nachmittag brauchten wir tatsächlich schon einmal knapp über 3 Stunden - wir erwischten den Flieger nach Tashkent dann nur sehr knapp. Und ich rede jetzt nicht von Schnee, Eis oder sonstigen Widrigkeiten der Natur, nein, wir waren nur im allgemeinen Wochenend-Exodus in die Datschen gefangen! Daher empfehlen wir (zumindest für die Abreise) meist Metro und Aeroexpress.

Transport über Land


Die Eisenbahn wird nur für die Fahrt nach St. Petersburg empfohlen. Die Nachtzüge sind günstig und bequem, der Expresszug fährt 4x täglich ab Leningrader Bahnhof. Der Trans-Sibirische Express nach Vladivostok soll gut sein. Vorort- und Überlandzüge fahren regelmässig, sind aber gewöhnungsbedürftig.
Unsere 16-stündige Bahnfahrt im Schlafwagen nach Karelien war ein wirklich sehr lohnendes Abenteuer für sich: die ordentlichen sowjetischen Klappbetten, der Steampunk-Samowar für unseren Waggon, die heimlich von der Waggonmutter organisierten Biere, und die Essiggurken und Himbeeren verkaufenden Muttchen an jeder Station zeigten das Land von einer völlig unbekannten Seite. 

Für weitere Distanzen gibt es zahlreiche und günstige Flüge mit Aeroflot. Nicht vergessen: Russland hat 9 Zeitzonen, der Flug von Moskau nach z.B. Petropavlovsk-Kamchatski (an der Südspitze der Kamchatka-Halbinsel) dauert knapp 9 Stunden und geht über den Polarkreis!

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21. Januar 2017

Besuch in Moskau (1): Planung ist Alles und Nichts

Russland ist kein „normales“ Touristenland. Es ist gross, erfordert ein Visum, und die Sprache ist fremd. Land und Leute sind aber unbedingt eine Reise wert, daher hier einige Tipps für die Vorbereitung. Die Hinweise sind allgemein und daher nicht vollständig (und manche müssten sich bestimmt an ganz kurzfristig geänderte Voraussetzungen anpassen!), und umfassen die Bereiche Papierkram, Transport, Unterkunft, Kommunikation, Lernen und Wohlbefinden. Und weil Russland so gross ist, werden viele Themen auf mein natürliches Habitat Moskau beschränkt bleiben müssen, ich kenne z.B. Omsk einfach (noch) nicht gut genug. 

Und, sehr wichtig, ich kann hier leider keine Garantien übernehmen.

Erstens: Der Papierkram
Papiere sind sehr wichtig in Russland, ihre Wichtigkeit kann nur übertroffen werden durch blau gestempelte Papiere. Nehmt den umfangreichen Papierkram also ernst, und versucht erst gar nicht mit eigener Ratio Notwendigkeiten zu hinterfragen. Macht einfach, sonst wird’s nichts, denn euer Hebel ist kürzer.
Visa
Wir empfehlen mit einem Touristenvisum einzureisen, da es die wenigsten Umstände bereitet. Und es trifft ja auch zu.
Wir empfehlen weiterhin die genauen Reisetermine (d.h. die Tage von An- und Abreise und die Reiseroute) als Erstes festzulegen und einzufrieren. Spätere Änderungen zu Terminen ausserhalb des gewählten Zeitraums sind ohne Neuantrag nicht möglich, es ist aber möglich etwas später ein- und früher auszureisen als beantragt. Es kann helfen die Flugtickets ebenfalls frühzeitig zu kaufen, Frühbucher fliegen oft günstiger.
Das „Mise en Place“ der Visa-Belege
Vorbereitung ist alles bei der Beantragung eines Russland-Visums. Es gibt 2-3 kritische Komponenten, der Rest ist Routine.
Unbedingt beachten: Den aktuellen Stand der Erfordernisse erfährt man online beim russischen Visa Handling Servise VHS (www.vhs-germany.com). Es kann jederzeit kurzfristige (und landes- bzw. staatsangehörigkeitsspezifische!) Änderungen im System und bei den Anforderungen geben!
Einfach zu organisieren sind das biometrische Passbild und der noch mindestens 6 Monate über das Reisedatum hinaus gültige Reisepass mit zwei gegenüberliegenden freien Seiten (auf diese wird dann das Visum geklebt und die Reise abgestempelt). Die Einladung kann/muss man für einige Euro pro Person online kaufen (zB bei www.abng.com oder www.einladung-russland.com) und gleich ausdrucken.
Eine Versicherungsbestätigung wird auf eure Anfrage hin in der Regel ohne Probleme von der Krankenkasse (evtl. Reisekrankenkasse) ausgestellt, sie darf nicht älter als drei (3) Monate sein. Sie muss den Hinweis enthalten, dass sie mindestens für die gesamte Dauer des geplanten Aufenthalts und im Land Russland gilt. Eine Liste der akzeptierten Krankenkassen findet sich ebenfalls bei www.abng.com.
Die Bestätigung der Rückkehrwilligkeit kann etwas Phantasie verlangen. Sie wurde als Pflichtdokument eingeführt, nachdem die EU so etwas von allen Russen für deren Visa verlangt hatte … Die VHS gibt auf ihrer Webseite einige Beispiele, da findet sich schon etwas Glaubhaftes (Datenschutz-Freaks müssen eben die Zähne zusammenbeissen …). Bitte beachten, dass der Beleg nicht für euch glaubhaft sein muss, sondern für die Schalterperson im Konsulat! Im eigenen Zweifel bringt evtl zwei alternative Dokumente beim Antrag mit.
Online-Antrag
Der Antrag muss auf der Webseite des Russischen Aussenministeriums (https://visa.kdmin.ru) angelegt und ausgedruckt werden, alle oben erwähnten notwendigen Einzelunterlagen sollten dazu vorher bereitgestellt werden. Der Online-Prozess kann unterbrochen werden (man erhält pro Antrag eine individuelle Zugangsnummer). Es ist auch möglich, bereits fertiggestellte fehlerhafte Anträge wegzuschmeissen und nochmal von vorne anzufangen (wenn sich z.B. das Datum ändert) Wenn man privat unterkommt (kein Hotel oder Hostel), ist als Unterkunft „private appartment“ anzugeben.
Antrag auf persönlichen Einreichungstermin
Unter www.vhs-germany.com bzw www.vhs-swiss.com bucht man den Termin zur Abgabe der Unterlagen in einer der Bearbeitungsstellen der VHS oder einer Schwesterorganisation.

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Einreichen des Antrags und Abholen der Visa
Das komplette und (ich wiederhole mich, unbedingt mit blauem Kugelschreiber!) ausgefüllte und unterschriebene Paket der Unterlagen wird zu Hause sicherheitshalber kopiert/eingescannt. Dann fährt man zur Bearbeitungsstelle, bei der man den Termin reserviert hatte (nur um festzustellen, dass ausser einem selbst anscheinend niemand sonst einen Termin gebraucht hatte …), und reicht den vollständigen Antrag zusammen mit dem Reisepass ein. Man erfährt sofort, ob die Dokumente vollständig und akzeptabel sind, es ist also sehr spannend der Schalterperson bei der gelangweilten Sichtung der Dokumente zuzusehen. Zahlen darf man dann auch noch.

Man erhält eine Mail, sobald der Pass mit dem Visum abholbereit ist. Oder nicht, surprise. 


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15. Januar 2017

Darf ich mich sicherer fühlen, wenn ich beschützt werden muss?

Wie können Bevölkerungen sich sicherer fühlen, wenn Bedrohung aller Art näher kommt. In dieser Frage spielen so viele Faktoren mit, die nur über grosse Populationen (eben "Bevölkerung") hinweg integriert gelten werden, und nur statistisch gelten ("1600 Befragte über 16 Jahren in 12 Stadtteilen"). 
Das subjektive Sicherheitsgefühl hat ja auch nichts, aber auch gar nichts mit der objektiven Sicherheitslage eines Individuums zu tun (typisches Beispiel: Flugangst). Wesentlich zur Gefühlslage trägt die öffentliche Diskussion über sicherheits- und sicherheitsgefühls-relevante Fragen bei, allein schon durch die Auswahl der diskutierten Themen, geschweige deren Behandlung. 
Der terror (lat.) ist eine "schmerzhafte Erregung in Gegenwart oder Befürchtung von Gefahr" (Merriam-Webster). Wohlgemerkt: Terror findet in uns selbst statt, es ist nicht die äussere Bedrohung an sich, sondern ihre Wirkung in uns. 
Die "Befürchtung von Gefahr" kann aber schon ausgelöst werden durch das Erlebnis von Massnahmen zur Gefahrenabwehr. Wenn ich auf dem Roten Platz an einem Polizisten mit geladener Maschinenpistole vorbei gehe, dann sage ich mir nicht "Schön, dass er da ist!", sondern: "Der Polizist hat die MP nicht zur Verzierung dabei, jemand hat entschieden, dass er sie hier brauchen könnte". Als ich einmal einen Mann mit Revolver am Gürtel in ein Nachbarhaus gehen sah, wusste ich auch nicht ob ich mich sicherer odet gefährdeter fühlen sollte. 

Nach Nizza, Berlin und Jerusalem wurde in Moskau jeder Zugang zu Weihnachtsmärkten mit Betonklötzen so schmal gemacht, dass Autos nicht mehr durchkommen können. Das macht die Anlagen zweifelsohne sicherer, aber der blosse Anblick der hässlichen Klötze lässt mich auch schon ein wenig schmerzhaft teilnehmen an der Befürchtung von Gefahr durch den Bürgermeister. Und: wie dürfen wir uns diesseits der Klötze fühlen?

 

 

 

 

9. Januar 2017

Winterlichter Moskau 2016

Moskau ist im Winter, im langen Winter, recht dunkel. Daher unternimmt die Stadt einiges, um Licht in die Innenstadt zu bringen. Der Tverskoy Bulvar ist - neben dem Roten Platz - ein Zentrum der Gestaltung. 

Der Lichttunnel ist ein Wunderwerk und wirkt auch auf Erwachsene emotional positiv. 



Dia anderen Motive sind in sich stimmig. 

 

 

 

 


Die bubbelnden Champagner-Flûtes an der Tverskaya kommen sehr gut an!

 
 

5. Januar 2017

Gestrandet in Bogotá

Der Rückflug von Bogotá nach Frankfurt wurde um 24 Stunden verschoben. Na prima, dann fliegen wir eben heute und nicht gestern!

Als der Flug gestern Abend für den Abflug um 21:15 Uhr zum Boarding aufgerufen wurde, sahen wir hinter den noch geschlossenen Türen des Gate 41 die LH-Crew ratlos-erregt diskutieren. Sah nicht gut aus, wir dachten zuerst an nicht geliefertes Catering oder so. Die Ankündigung kurz darauf, dass der Flug wegen Erkrankung des Kapitäns ganz ausfällt, hatten wir allerdings nicht erwartet!
Wie angewiesen holten wir unsere Koffer wieder ab, bekamen einen "Annulliert"-Stempel über den Ausreisestempel im Pass, und gingen zum LH-Schalter. Sehr individuell wurden wir dort beraten, wir waren auch fast die Ersten (der Rest der 300 Passagiere kam erst später). Am Ausgang 7 (in der allgemeinen Ansage hiess es: 5) bildete sich dann stetig und diszipliniert eine lange Schlange und wartete auf die Busse zum unbekannten Hotel "Zum Fröhlichen Fluggast". Irgendwann fuhren wir dann zügig quer durch die Stadt zu einem Kongresshotel, und checkten (zum Glück auch hier) als Erste ein. Die Warteschlange vor dem Hotel-Counter mit einem (!) Operator reichte bis auf die Strasse!

 
 
Unsere Koffer hatten wegen der vielen Kinderwägen und Rollstühle nicht mehr in unseren Bus gepasst, sie kamen separat mit 2 Stunden Verspätung um 00:15 Uhr  im Hotel an. 

 

Die Informationen fliessen gerade ganz spärlich und mehr als Gerüchte ("Ich habe gehört wir fliegen um Zehn."). Wenn ich nicht die Frau mit dem LH-Badge am Saftstand des Frühstücksbuffets einfach von der Seite angesprochen hätte, wären wir immer noch im Ungewissen. 

 

Tatacoa-Wüste bei Villavieja

Gleich nach Ankunft in der Dunkelheit fuhren wir noch raus in die an sich streulichtarme Tatacaowüste zu einer astronomischen Darbietung. Eingezäunt von Plastikplanen standen und lagen etwa 100 Personen und hörten dem Präsentator zu, der mit einem Super-Laser Sterne und Sternbilder identifizierte; davon hätte ich gerne mehr gehört. Drei grosse Spiegelteleskope waren eingestellt auf Mond, Mars und Venus, ein weiteres Teleskop zeigte irgendwohin. Leider mussten jede Menge neue Besucher mit ihren Autos direkt vor die Einzäunung fahren, oder andere Gäste dringend mit ihren Smartphone-Lampen lauthals etwas in der Tasche suchen: das störte. Wir waren etwas enttäuscht und fuhren lieber weiter zum angenehmen Gasthaus zu einem kühlen Club Colombia. 

 

Ich will nicht behaupten, dass wir im Hotel del Sol in Villavieja extrem gut geschlafen hätten, da für lag unser Zimmer zu nah an der Umwälzpumpe des Pools. Aber die Klimaanlage und das nur dünne Bettdeckchen (fast vernachlässigbar) waren genau richtig für das Klima. Die schwüle Hitze von 26 °C am Morgen um Sieben traf uns dann wie ein Hammer.  Die Dusche war modern-minimalistisch, keine Armatur und kein Duschkopf lenkten vom kalten Wasser und dem Seifenstück ab. 

 

Wir mussten überraschenderweise das Zimmer 103 vor Ort in bar bezahlen. Dazu musste ich noch Geld abheben, und bekam vom Bankomaten am Marktplatz vier (4) Meldungen auf den Bildschirm, die ich einzeln bestätigen musste:
  1. "Our bank will charge you COP 12'000"
  2. "Your bank will charge you an unknown transaction fee"
  3. "The applied exchange rate EURCOP may not be favorable"
  4. "Are you sure you want to withdraw cash now?"
Mit frischem Bargeld und zusammen mit dem Rest der Gruppe ging es zum Paläontologischen Museum, mit einfacher Präsentation interessanter Exponate (Gürteltiere, Tapire, Schildkröten, und grosse Haufen versteinerter Hölzer). 

Walter fuhr uns dann in die Wüste, wo wir von drei Stationen aus die Landschaft erkundeten. Es ist keine trockene Wüste (es regnet über 1000 mm pro Jahr!) aber das Wasser läuft sofort ab und schafft spektakuläre Erosionslandschaften im roten und blaugrünen Löss. Die Formationen waren unglaublich heiss, die Touren anstrengend. Wir schützten uns mit Hüten, Schirmen und verknoteten Taschentüchern gegen die Sonne, aber das half nur halb. Gegen Ende der Tour begleiteten uns auch schon ein paar hoffnungsvolle Geier …

 

 

 

 

Wer erkennt die beiden Schattenriesen?

 

Den Pferden ging es auch nicht gut in der Hitze, sie warteten stoisch auf Passagiere. 

 

Wir assen zu Mittag in der gleichen schattigen Wirtschaft wie am Vorabend, diesmal gab es Zicklein (aus eigener Herde) mit Reis (mit kleingeschnittenen Innereien) und Maduro-Bananengemüse. Dazu frische Limonen-Limonade und Cola. 

Direkt aus der Wüste fuhren wir eine Stunde zum Flughafen Neiva. Eine kleine Pause in der Finca von "Diego" (er sah aus und gab sich wie der lokale Mafia-Pate!). Dort gab es Guetzli mit karamelisierter Milch, und  Mozarella aus hauseigener Herstellung. Der ausgezeichnete Frischkäse fand nicht bei allen Gruppenmitgliedern Zustimmung, wohl wegen der fehlenden Kühlung. Naja. 

In Neiva enterten die immer noch 10 Mitglieder der Reisegruppe gut gelaunt (Deckenventilatoren in der Abflughalle!) die Avianca-Maschine nach Bogota. Vor dem Abflug sahen wir noch einen ca 1 Meter langen Leguan einen Baum hochspringen; wir waren recht froh, dass es nicht unser Hosenbein war…

Im Flughafen BOG checkten wir internationalen Weiterflieger erst unsere Koffer ein, und trafen uns dann alle  im Café Juan Valdez zu einen gemeinsamen Café oder Schokolade. Das gab mir Gelegenheit alle nochmals einzuladen und dabei die restlichen Pesos sehr nützlich und genussvoll auszugeben. Unser "Tisch der Zehn" war optisch und akustisch das Zentrum des Cafés. Irgendwann fand Hanna, wir sollten jetzt den nächsten Geburtstag feiern. Elsbeth hat im Februar Geburtstag, und so bekam sie ihr erstes "Happy Birthday" schon jetzt gesungen, mit Klatschen und Johlen. Alle haben sich gefreut, und wir sind dann auch bald gegangen. 

Archäologischer Park San Agustin

Der Archäologische Park San Agustin war der kulturelle Höhepunkt der Reise in Kolumbiens Süden. In einem auslaufenden Bergmassiv der zentralen Cordilleren entstand vor ca 2000 Jahren eine Hochkultur, die für etwa 1000 Jahre bestand und dann wieder verlöschte. Viel weiss man nicht über diese Kultur. Die ersten Ausgrabungen der hinterlassenen Dolmengräber fanden um 1935 herum statt, wurden dann 1984 intensiviert unter Anleitung der UNESCO. Momentan werden lokal drei neue Museen gebaut, um die vielen kleinen Ausstellungen zu bündeln. Die Goldfunde liegen eh im Goldmuseum in Bogotá. 

Die Funde in San Agustin sind Steinmetzarbeiten. Häufiges Symbol der Steinmetze für allgemeine Stärke (neben Phallus-Darstellungen aller Art) ist der Jaguar: fast alle menschlichen Figuren haben hier Reisszähne! Ausser den Gräbern fand man nicht viel, so dass man bisher wenig über die Lebensumstände weiss. Aber man ist sicher, dass die rund 1000 Jahre jüngere Inka-Kultur durch die San Agustin-Kultur beeinflusst wurde. 

Gelb markiert auf dem Geländeprofil sind die bisher nearbeiteten Grabungsorte. Der obere tiefe Geländeeinschnitt ist das Tal des Magdalenen-Flusses. Mittig liegt das Dorf San Agustin, unsere Lodge liegt etwas nordwestlich davon am Hang. 

 

Stufenbild von einer frühen Grabung. Klassisch!

 

Unser Guide "Don Carlos" im individualisierten Polo eines Park-Rangers. 

 

Einführung in die Ausgrabungsfunde im Park-Museum. 

 

Eingang zur Grabkammer. Darstellung des Toten und zweier Wächter/Jäger (Keulen!), die jeweils durch Jaguare über den Köpfen unterstützt werden. 

 


 

 

Die bekannteste Figur des Parks ist dieser "Pinguin". Der in der Mitte, natürlich!

 

Häschen in der Grube …

 

Figur mit etwas schwer zu erkennendem Nasen-Piercing. Welch historisches Vorbild!

 

Am steilen Hang des Magdalenen-Tals wurde sogar der Steinschlag verziert. 
 
 
Man braucht Phantasie und eine Karte zur Orientierung in dieser grossen und wasserbetonten Figurenlandschaft. Wer entdeckt das Kindergesicht oben am zweiten Wasserfall von links?

 

 

824: „Muß di ni argern, dann geit di dat goot“

Sinnspruch an der Wand des Glücklichen Matthias : Darunter schmeckte uns Pannfisch und Schlemmerteller (nein, nicht der vom Horst!).  Danach...